Ein Stückchen Europa in Afrika

Hinter der Schlange liegt Europa - Einreise nach Ceuta

Hinter der Schlange liegt Europa - Einreise nach Ceuta

Ich will mir ein Bild machen von diesem Stück Europa auf afrikanischem Boden, dieser Stadt, auf die immer noch so viele Marokkaner ihre Hoffnungen setzen – trotz der strengen Sicherheitsvorkehrungen.

Ceuta, 22 qkm Fläche, 76.000 Einwohner und 8 km Grenzlinie. Es gibt zwei Grenzstationen, eine im Westen für die Bewohner des hinter der Grenze gelegenen Dorfes, und die Hauptgrenzstation im Süden. Man hat uns gesagt, montags sei besonders viel los, weil dann die europäische Arbeitswoche wieder beginnt.

Auf dem Parkplatz vor der Grenze überfallen uns „hilfsbereite“ Marokkaner, die uns Ausreiseformulare in die Hand drücken und dafür Geld wollen. Dabei gibt es die Formulare am Schalter kostenlos – sogar mit denen, die schon fast weg sind, will man noch Geschäfte machen. Polizisten verscheuchen sie.

Und da beginnt sie, die Autoschlange, in der man angeblich 3 Stunden warten muss, um nach Ceuta einzureisen. Die Fahrer, die neben ihren Autos stehen, gucken etwas entnervt, aber alle verhalten sich ruhig. Neben uns wird ein Auto aus der Schlange gewunken und von allen Seiten abgeklopft. Wir wundern uns, denn noch sind wir in Marokko. Vielleicht versucht man, den Spaniern den größten Ärger vom Hals zu halten. Bevor wir sehen können, ob die Polizisten im Auto etwas finden, stehen wir im Niemandsland.

Links weiße Baracken mit den Schaltern für die Einreise. Man winkt uns vorbei, wir dürfen direkt zu Schalter 4 vorgehen. Aber auch die Schlangen vor den Schaltern für Nicht-Europäer sind recht übersichtlich. Zum ersten Mal überschreite ich eine Landesgrenze zu Fuß. Nur ein Schritt, und es ist wegen der Sommerzeit nicht mehr 12, sondern 14 Uhr. Bezahlt wird in Euro, man spricht Spanisch. Und zahlt locker dreimal so viel fürs Mittagessen wie in Marokko.

Nach der Einreise werden wir durch einen vergitterten Gang an den Autos vorbeigeleitet. Erst später, als es bei der Ausreise Gedrängel gibt, merken wir, wie eng die Gitter zusammenstehen. Ich denke an Zoo, Judith an Gazastreifen. Der Stacheldraht auf den Mauern tut sein Übriges

Ceuta selbst, das erstaunlich wenig maurische Einflüsse zu erkennen gibt, erleben wir sehr entspannt. Es ist Semana Santa, Karwoche, und die Straßen werden für die abendlichen Prozessionen geschmückt. Heute Abend werden eine Jungfrau- und eine Christusfigur herumgetragen, die Blumenmädchen dekorieren die Sänften schon. Selbst für eine Kölnerin ist das eine heftige Portion Katholizismus, und dann noch auf dem afrikanischen Kontinent!

Dennoch genießen wir unseren kleinen Ausflug nach Spanien, indem wir uns in der Sonne auf ein Mäuerchen legen – in Marokko als Frau nicht so gut denkbar. Auch mal wieder Frauen in Miniröcken zu sehen, entspannt die etwas gestresste weibliche Seele.

Wir schauen uns den Hafen an, der nicht so streng bewacht wirkt wie der von Tanger. Hier unter einem Lkw, Wohnwagen oder Bus die Überfahrt zu versuchen, dürfte leichter sein. Aber bis zum Hafen von Ceuta muss man ja auch erstmal kommen.

Wir kaufen im Lidl Schwarzbrot und erzählen abends, dass wir heute in Europa waren. In den Ohren der Tangeaouis, die 14 Kilometer von Tarifa entfernt wohnen, klingt das nicht wie eine weite Reise. Und trotzdem wie eine in ein fernes Land, das ihnen nicht ohne weiteres zugänglich ist.

Dina Netz, Tanger, 6.4.2010