Dr. James und die Frauen (von Gazi)

Ich wohne momentan bei Dr. Kairo. Doktor James Kairo. Der Mann, dem die Frauen vertrauen.  Der Mann vom KMFRI. Der Mann, der… Wie bitte? KMFRI? Was das ist? Verzeihung, jetzt hätte ich doch fast vergessen, das Kenya Marine and Fishery Research Insitute vorzustellen. Hm? Was das nun wieder mit den kenianischen Frauen zu tun hat? Eine ganze Menge! Denn ohne die Frauen wäre der liebe James aufgeschmissen, jawohl. Er hat nämlich – wie sollte es auch anders sein – eine Mission: Er will die Mangroven retten. Und wie es sich für einen ordentlichen Dr. James gehört, rettet er dabei auch ein bisschen die Welt. Beziehungsweise die Umwelt. Beziehungsweise die Frauen von Gazi. Also die tun das. Genau genommen. Alles klar?  Ja, ist ja gut, ich fang von vorne an. Also: Die Küstenregion gerade hier, südlich von Mombasa, ist reich an Mangrovenwäldern. Und die Mehrheit der rund neun Millionen Menschen, die in der Küstenregion leben, ist auf diese Mangroven angewiesen. In Gazi, dem Dorf, in dem ich gerade wohne, sind ganze 70 Prozent der Bevölkerung von ihnen abhängig. Zum einen, als Holz für den Hausbau, zum anderen, als Feuerholz mangels anderer Energiequellen. Gleichzeitig sind die Mangrovenwälder aber auch für das Ökosystem von zentraler Bedeutung und schon haben wir das Dilemma. Und da kommt Doktor Kairo ins Spiel. Und die Frauen. Um die exzessive Abholzung und Zerstörung der Mangroven zu verhindern, hat das KMFRI die Frauen vor ziemlich genau zehn Jahren des Ortes zusammengerufen, um ihnen das Konzept des Ökotourismus als alternative Form des Lebensunterhalts ans Herz zu legen. „Uns ging es um den Erhalt der Mangrovenwälder, aber Du kannst die Leute schwer vom Umweltschutz überzeugen, wenn Du ihnen nicht eine Alternative bietest, von der sie profitieren können. Also haben wir die Männer beim Fischen unterstützt, wir haben Baumschulen mit Jugendlichen errichtet und wir haben mit den Frauen den Mangrove Boardwalk geschaffen.“

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In den nahegelegenen Mangrovenwäldern entstand so ein mittlerweile 450 Meter langer Rundgang, auf dem die Frauen der Gemeinde die Touristen gegen eine kleine Gebühr (knapp drei Euro) durch die Mangroven führen und ihnen die unterschiedlichen Baumarten erklären. Auf Wunsch wird sogar für die Besucher gekocht. Warum es ausgerechnet die Frauen sind, die den Boardwalk managen hat zwei Gründe, erklärt Doktor James: „Also ersten haben die Frauen ganz einfach mehr Charme. Das weibliche Gesicht ist viel offener, die Frauen sind gastfreundlicher, sie ziehen die Besucher in ihren Bann. Und zweitens sind Frauen als Gruppe sehr viel besser organisiert als Männer. Rumsitzen und auf Besucher warten, das ist nichts für die Kerle. Und außerdem: Wenn Du den Frauen hilfst, hilfst Du gleichzeitig dem ganzen Dorf.“ Der Erfolg gibt ihm recht. Mittlerweile sind die rund 40 Frauen komplett eigenständig organisiert, haben ihre eigene Buchhaltung und Verwaltungsstruktur. Das Geld wird untereinander aufgeteilt und von dem Gemeinschaftskonto vergeben sie den Mitgliedern sogar kleine Kredite oder unterstützen die örtliche Schule. Trotzdem: Anfangs war es schwer, die Frauen von dem Projekt zu überzeugen. Das erzählt auch Amina Juma vom KMFRI, die die Gruppe betreut: „ Am Anfang war das sehr zäh. Da gab es noch nicht viele Besucher und entsprechend nur wenig Gewinn. Wenn du aber nichts verdienst, kannst Du nicht einfach sagen, `aber wir haben doch  hier dieses tolle Projekt‘. Das reicht nicht. Dann suchen sie sich andere Möglichkeiten, Geld zu verdienen. Also haben wir die Frauen beim Marketing unterstützt, in Hotels und umliegenden Schulen Werbung gemacht und mit der Zeit kam mehr Geld rein. Die Frauen haben gemerkt, dass ihnen das Projekt zu Gute kommt und mittlerweile wissen sie es wirklich zu schätzen. Sie profitieren davon ja auch nicht nur finanziell, sondern es hat darüber hinaus ihr Selbstbewusstsein gestärkt, als Gruppe zusammen zu kommen und gemeinsam zu arbeiten.“

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Die 29 Jährige Mwatime Hamadi ist heute stolz darauf, für den Mangroven-Boardwalk arbeiten zu können. Ihr Mann ist vor etwa zwei Jahren nach Sansibar abgehauen. Unterstützung bekommt sie für sich und ihre beiden Söhne von ihm nicht. Dank des Boardwalks  kommt sie aber mittlerweile gut ohne ihn klar  „Vorher war es schwierig, hier einen Job zu bekommen. Jetzt führe ich die Touristen durch die Mangroven und bekomme dafür am Ende des Monats ein Gehalt. Aber nicht nur mein Leben hat sich verbessert, auch das der ganzen Gemeinde. Wir zahlen einen kleinen Teil für die Lehrer an der Schule und wenn jemand in der Gemeinde ein Problem hat, dann kommen wir zusammen und entscheiden ob und wie wir helfen können.“ P1000511 Zum Beispiel, wenn Mohamad Tenga wieder einmal in der Finanzklemme steckt. Der engagierte Direktor der Grundschule weiß was es heißt, mit wenig Geld auskommen zu müssen. „Wir haben hier 460 Schüler und neun Lehrer. Das sind also ungefähr 55 Schüler pro Klasse. Die Regierung gibt uns vielleicht 1000 Shilling pro Kind im Jahr. Pro Trimester steht jedem Kind ein Stift zu. Ein Stift. Der reicht vielleicht 2 Wochen.“ Um eigenes Schuleinkommen zu generieren und auch Kindern armer Familien die Schulbildung zu ermöglichen, hat Tenga erst vor kurzem 2500 Bäume auf dem Schulgelände pflanzen lassen. Das Holz soll später mal verkauft werden. Und er ist zum Fischfarmer geworden. Sobald die Fischer in der Regenzeit weniger fangen können, will Tenga mit den selbst gezüchteten Süßwasserfischen der Schule groß auftrumpfen. Trotzdem ist der Direktor auf die Hilfe der Frauen von Gazi angewiesen. Erst im letzten Jahr haben die ihm bei der Finanzierung von 10 Computern für die Schule unter die Arme gegriffen. Für Dr. Kairo ist das Konzept jedenfalls aufgegangen: „Die Einstellung hat sich verändert. Dadurch dass die Frauen und die Gemeinde direkt von dem Projekt profitieren, profitieren wir indirekt. Die Fische haben sich wieder vermehrt, die Mangroven leisten ihren Teil und absorbieren Kohlendioxid, die Landschaft ist schöner… Die Leute haben verstanden, welch wichtige Rolle die Mangroven hier spielen und mittlerweile übernehmen sie selbst Verantwortung für die Wälder. Die sind richtige kleine Ranger geworden, die sich um den Wald kümmern. Die ganze Gemeinde hat dabei geholfen, dass wir wieder eine große Mangroven-Region haben, da wo vorher fast nichts mehr war.“ Und wie es scheint war der Boardwalk der Frauen erst der Anfang.  Ihrem Erfolg ist es zu verdanken, dass die kleine, rund 2000-Seelen-Gemeinde inzwischen sogar auf dem Weltmarkt mitmischt. Im Kohlendioxid Handel. 3000 Tonnen Co2 im Jahr wollen sie auf dem Freiwilligen Kohlendioxid Markt verkaufen. 15.000 Dollar sollen so für die Gemeinde zusammenkommen. „Der Ökotourismus ist ein Aspekt, aber er treibt sozusagen neue Blüten“, erklärt Dr. Kairo. Der CO2-Verkauf, der Aufbau von Aquakulturen… all das sei aus dem Erfolg des Frauen-Projektes entstanden. „Das Ganze ist also ein großes ökologisch-ökonomisch Gesamtwerk. Beides funktioniert nachhaltig nur gemeinsam. Die neuen Einkommensmöglichkeiten schützen die Natur und die Gemeinde kann genau daraus wieder wirtschaftlichen Nutzen ziehen.“ Ziemlich schlau von Doktor James. Aber wie das nun mal so ist, wenn ein Held namens James in (geheimer) Mission unterwegs ist: Ohne Frauen geht es nichtJ