Anke und das Abwasser

lila4Es ist wieder Frühling (30.11.) in Buenos Aires und die lila-blühenden Jacarandá-Bäume, die in der ganzen Stadt an den Straßenrändern stehen, entfalten ihre volle Pracht. Ausgerechnet zusammen mit dem  farblich perfekt abgestimmten, runden Schild der lilanen Linie der Subte, der U-Bahn, ergibt sich an der Playa de Mayo ein wunderschönes Bild aus Bäumen und Infrastruktur – meiner Meinung nach…die meisten Argentinier beeilen sich, da hin zu kommen, wo auch immer sie hin müssen, ohne Notiz zu nehmen. Gestern und vorgestern noch hat es heftig gestürmt. Heute lese ich in der Zeitung „La Nación“ es habe noch nie soviel an einem Tag im Oktober geregnet, 138 Millimeter in 20 Stunden. 400.000 Leute hätten keinen Strom mehr gehabt. Das Abwassersystem der Stadt war quasi zwischenzeitlich kollabiert. In einem Restaurant mit Freundinnen beim Abendessen konnten wir das hautnah aus dem Fenster verfolgen: Erst war da noch die (etwas kleinere) Einbahnstraße, dann an beiden Rändern zum Bürgersteig Rinnsale, die zu kleinen Bächen wurden, die sich schließlich fast in der Mitte trafen um die Straße in einen kleinen Fluss zu verwandeln. Nach ein paar Stunden war dann aber alles wieder vorbei. Später erfahre ich, es sei für die Stadt günstiger, ein paar Mal im Jahr Land unter zu haben (und dadurch auch Menschen in Gefahr zu bringen) als das Kanalsystem so zu renovieren, dass es Stürmen wie dem gestrigen Stand hält.

Zurück zum Thema: An der Playa de Mayo warte ich auf Anke, eine Deutsche, die im Bereich Abwassertechnik für ein Dresdener arbeitet. Sie baut seit zwei Jahren das Geschäft in Argentinien auf, akquiriert und berät argentinische Unternehmen, die ihre Standards im Bereich Abwassertechnik verbessern wollen. Das deutsche Unternehmen bietet Lösungsvorschläge vor allem für industrielle Abwässer an. Mit dem Riachuelo hat Anke indirekt zu tun. Dass sie mir derart spannende Dinge erzählen würde, hatte ich nicht erwartet. Eins, sagt sie, sei klar, die Unternehmen hier in Argentinien hätten größtenteils längst nicht die Standards wie bspw. in Deutschland. Vorreiter seien da noch multinationale Unternehmen, die sich an internationale Standards hielten und aus eigenem Interesse ihre Abwässer aufbereiteten. Viel schwieriger sei die Lage bei kleinen Unternehmen. Anke kennt die Behörde Acumar, die die Säuberung des Riachuelos umsetzen soll. Acumar ist auch dafür zuständig, die Unternehmen im Einzugsgebiet des Flusses zu kontrollieren und ihnen ggf. strengere Auflagen zu erteilen, wenn sie die Abwasserstandards nicht einhalten. Die größte Verschmutzung des Flusses entsteht nämlich durch die unzureichende Abwasseraufbereitung. Tausende Industriebetriebe leiten ihre Abwässer in den Fluss ein, der dadurch stark mit Giftstoffen belastet ist. Anke berichtet von ihren Erfahrungen mit den Unternehmen. Es gäbe ein Gebiet, in dem sehr viele Gerbereien ansässig seien. Die großen Lederfabriken hätten eine Abwasseraufbereitungsanlage. Die vielen kleinen und Kleinstunternehmen mit langer Tradition oft nicht. Anke hat dort eine kleine Gerberei besucht und versucht, dem Unternehmen Lösungsvorschläge zur Abwasseraufbereitung anzubieten. Am Ende ohne Erfolg. Denn die Gewinnmargen dieser Kleinunternehmen sind viel zu gering, als dass sie sich eine derartige Technik leisten könnten. Außerdem scheitert das Vorhaben schlicht am Platz – es gibt keine Möglichkeit eine Wasseraufbereitungsanlage zu installieren. Frustrierend aber wahr: Die Situation ändert sich ihren Erfahrungen nach bei solchen Betrieben nicht.

Auch die Prozesse von Acumar kennt Anke, sie sagt, sie seien relativ harmlos. Will heißen, dass ein Unternehmen kontrolliert wird, dann ein Jahr Zeit hat, einen Lösungsvorschlag zur Verbesserung der Wasseraufbereitung anzubieten. Danach gibt es noch mal eine Zeitspanne, um den Vorschlag auch umzusetzen. Bisher hat nach Angaben von der Umweltorganisation Farn allerdings nur ein kleiner Teil der Unternehmen die staatlichen Vorgaben umgesetzt. Ich frage Anke, ob ich einmal ein Unternehmen, das gerade eine Abwasseranlage zusammen mit ihrer Firma aufbaut, besuchen kann…oder sogar eine der kleinen Gerbereien. Sie ist äußerst hilfsbereit und will sehen, was sich machen lässt.

Interessant ist das Gespräch auch, weil ich erfahre, dass Argentinien äußerst reich an Trinkwasser ist. Unter dem Land fließen breite Grundwasserströme in relativ geringer Tiefe. An einigen Stellen lässt sich das Wasser aus 20, 30 Meter Tiefe gewinnen. Das Wasser des Rio de la Plata wird auch als Trinkwasser genutzt, allerdings weniger häufig und es muss aufwendiger aufbereitet werden.

MannSchautFußball

Ein Mann schaut gebannt ein Fußballspiel der Boca Juniors von draußen durch die Fensterscheibe des Restaurants.

Zum Schluss frage ich sie, wie ihr das Leben und Arbeiten in Argentinien gefällt und sie antwortet mit einem sehr schönen Zitat. Zwar gäbe es viel Chaos und Frustration, vor allem was das generelle Funktionieren von allem möglichen Vorgängen beträfe, aber dennoch seien die Argentinier „sozial intelligenter“ als die Deutschen! Da ist was dran 🙂