Sept Place

Öffentlicher Fernverkehr ist im Senegal ein Wechselbad der Gefüle, wobei das Badewasser aus Schweiß besteht. Auf kurzen Strecken, wie bei meiner Fahr von Dakar nach Thiès, lassen sich die negativen Seiten noch ganz gut ausblenden, denn man ist ihnen ja nur für etwa zwei Stunden ausgesetzt. Schlimmer ist es bei langen Fahrten.

Eine der längsten Strecken, die man im Senegal zurücklegen kann, ist die Fahrt von Dakar nach Tambacounda und weiter nach Kédougou ganz im Südosten des Landes an der Grenze zu Guinea. Erzählt man jemanden in Dakar, dass man Tambacounda (bzw. „Tamba“, wie es lokal abgekürzt wird) besuchen will, dann ist die typische Reaktion ein mitleidig-erschrecktes „mais c’est loin!“ – „aber das ist doch so weit weg!“

Genau aus diesem Grund hatte ich mir einen genialen Plan überlegt. Eine senegalesische Busgesellschaft, so hatte ich in Erfahrung gebracht, biete einen Nachtbus von Dakar nach Tamba an, der sogar billiger als eine Reise im sept place sei. Niokolo Transport, so der Name der Firma bekam auch von Expats gute Noten in Punkto Sicherheit ausgestellt und hat sogar eine Homepage, auf der man online Reservierungen machen kann.

Genau das tat ich mehrere Tage im Vorraus und bekam auch eine Reservierungsbestätigung per Email zugesandt. Als ich aber am Tag der Abfahrt noch mal anrief, um die Abfahrtszeit zu bestätigen, wurde mir mehr oder weniger freundlich mitgeteilt das mein Name nicht auf der Liste stehe.

„Aber ich habe doch online reserviert,“ wagte ich einzuwenden.

„Wir nehmen online keine Reservierungen entgegen,“ war die knappe Antwort.

Ob denn für den nächsten Tag noch Tickets frei wären, wollte ich wissen. Durchaus, so die Dame am anderen Ende, die müsse ich jedoch persönlich und in bar bezahlen. An einem Verkaufsschalter, der am anderen Ende der Stadt liege.

Anstatt also bequem per Nachtbus nach Tamba zu reisen, stehe ich zwei Stunden später wieder mal auf dem heißen Asphalt des Busbahnhofs von Dakar. Die Fahrt nach Tamba dauert von Dakar aus etwa sieben Stunden. Für mich bedeutet das, dass ich das nächste sept place nach Tamba nehmen muss, um noch eine Chance auf eine Ankunft im hellen zu haben.

Das nächste sept place hat nur noch zwei Plätze frei, natürlich die zwei schlechtesten. Zähneknirschend entscheide ich mich für Pest anstatt Cholera und zwänge mich auf den Platz ganz hinten rechts.

Die nächsten sieben Stunden habe ich abwechselnd meine Knie bis fast zum Oberkörper angezogen oder schmerzhaft gegen die Lehne des Vordersitzes gepresst. Egal wie ich sitze, meinen Kopf muss ich immer leicht angewinkelt lassen, denn die Decke ist zu niedrig. Ich habe ehrliches Mitleid mit der Frau vor mir, denn für sie kann mein ständiges Umsetzen auch nicht bequem sein, aber wenn ich die Fahrt überleben will, dann kann ich darauf keine Rücksicht nehmen.

Ein Lichtblick sind die Mitfahrer. Gleich als erstes, wir fahren gerade aus Dakar heraus, drückt mir ein junger Mann wie selbstverständlich eine Mandarine in die Hand. Im Laufe der Fahrt bekomme ich noch diverse andere Früchte und ein Stück Kuchen angeboten. Auch sonst ist die Stimmung sehr angenehm.

Weniger angenehm ist der Fahrtstil des Chauffeurs, der auf der Teils mit Schlaglöchern übersäten Fahrbahn offenbar versucht einen Elchtests nachzustellen. Wild schwenkt er den Wagen bei voller Geschwindigkeit von einer Seite zur anderen, mehrmals entgehen wir einer Kollision mit dem Gegenverkehr nur knapp.

Trotz dieser Manöver sind wir bei Einbruch der Dunkelheit immer noch etwa eineinhalb Stunden vom Ziel entfernt. Für senegalesische Autofahrer scheint es eine Frage der Ehre zu sein, die Scheinwerfer erst bei vollständiger Dunkelheit einzuschalten und so kommt ein weiteres Spannungselement zur Reise hinzu. Als der Chauffeur schließlich ein Einsehen hat, erhellen die altersschwachen Leuchten nur einen lächerlich kleines Sichtfeld, was dieser aber nicht als Anlass zur Verringerung der Geschwindigkeit nimmt.

So kommt es wie es kommen muss: Mit ordentlich Speed jagd unser Fahrer den Wagen durch ein nicht rechtzeitig entdecktes Schlagloch. Es gibt einen lauten Knall und der Wagen schlingert ein wenig. Der Fahrer bremst, wir steigen aus und schnell ist klar, dass das Manöver zu einem geplatzten Reifen und verbogener Felge geführt hat.

Der Reifenwechsel dauert zwanzig Minuten, dann geht es weiter. Eine Stunde später kommen wir endlich in Tambacounda an, gerade noch rechtzeitig um ein Absterben meiner Beine zu verhindern. Ich bedanke mich bei den Mitfahrern, allerdings nicht beim Fahrer. Zum Abschluss des Tages gibt es aber noch mal eine Demonstration senegalesischer Gastfreundschaft. Als ich mich telefonisch nach dem genauen Ort meines Hotels erkundige, bietet der Manager an mich am Busbahnhof abzuholen. Fünf Minuten später fährt er mit einem Motorroller vor und bringt mich zu meiner dringend benötigten Dusche und einem wohlverdienten Bett.