Jakarta – und die Sache mit der nicht so sauberen Luft

Die ersten Tage ein gutes Hotel mitten in der Stadt. Das ist der Deal. Ich will mich langsam vortasten und mir Zeit nehmen, die Stadt kennen zu lernen, immerhin bin ich Asien-Anfängerin. Der Jetlag steckt mir noch in den Knochen. Vorgestern war ich gute 24 Stunden unterwegs erst mit Zug in Deutschland, dann acht Stunden im Flieger von Düsseldorf nach Dubai. Vier Stunden Warten, dann nochmal sieben Stunden bis Jakarta. Jetzt bin ich da und merke: ich werde mit dieser Stadt einfach nicht richtig warm.

In Jakartas Einkaufstempeln ist von der Rolex, über Armani und Gucci alles zu finden was man auch auf der Düsseldorfer Kö kaufen könnte. Gleichzeitig gilt laut WHO fast die Hälfte der indonesischen Bevölkerung als arm.  Sie haben nicht das Geld, um sich ein Mal am Tag eine Portion Reis zu kaufen.

In Jakartas Einkaufstempeln ist von der Rolex, über Armani und Gucci alles zu finden was man auch auf der Düsseldorfer Kö kaufen könnte.

Gleichzeitig fehlt laut WHO fast der Hälfte der indonesischen Bevölkerung  das Geld, sich ein Mal am Tag eine Portion Reis zu kaufen.

Laut WHO fehlt fast der Hälfte der indonesischen Bevölkerung das Geld, sich ein Mal am Tag eine Portion Reis zu kaufen.

Dabei war ich gewarnt. Kaum ein Backpacker, kaum ein Reiseforum, das ein gutes Haar lässt an der Mega-City. Dreckig, laut, verkommen, schmutzig, am besten gleich weiter reisen heißt es da immer. Trotzdem oder besser gesagt: Jetzt erst recht. Nach diesem Motto habe ich mir für Jakarta fix drei Tage eingeplant. Ich hätte auch gleich weiter fahren können nach Bogor – eine Stunde entfernt liegt die Stadt der NGOs, in der ich für meine Recherche Interviews mit Waldexperten führen möchte.

Nein, um Indonesien wirklich zu verstehen, will ich auch die Hauptstadt kennen lernen, spüren. Auch wenn’s weh tut. Und das tut es. Zumindest ein bisschen. Meine Nase fühlt sich komisch kribbelig an und ich bilde mir ein, im Hals permanent ein leichtes Kratzen zu spüren. Ist das der Smog der Millionen Autos vor meinem Hotelfenster oder vielleicht doch nur die Klimaanlage? Und: Jakarta lässt mich einfach nicht schlafen. Da hilft kein Hörspiel, kein Ohropax. Das Knattern, das Brummen, der Verkehr ist immer da. 24 Stunden am Tag. Das bin ich von zu Hause im leisen Bielefeld einfach nicht gewohnt.

Selbst am „autofreien Sonntag“  kommt die Stadt verkehrstechnisch nicht zur Ruhe.

Selbst am „autofreien Sonntag“ kommt die Stadt verkehrstechnisch nicht zur Ruhe.

„Ja klar, Jakarta ist hässlich und dreckig“, lacht mich Ramley beim Frühstück vergnügt an. Es sind einfach zu viele Menschen hier, bringt es der Geschäftsmann aus Kuala Lumpur auf den Punkt. Er ist auch nur hier, weil er muss, weil er für seine Firma einen Kongress besucht. Seine Frau und seinen ein Jahre alten Sohn Omar hat er mitgebracht. Der kleine wippt fröhlich auf dem Schoß seines Vaters hin und her während dieser mich eindringlich warnt. Ich soll auf meine Sachen gut aufpassen. In Jakarta gebe es viele arme Menschen, auch viele megareiche, aber eben auch viel Armut. In Kuala Lumpur seiner Heimatstadt und Hauptstadt Malaysias, sei das ganz anders, aber dort leben eben auch nur zwei Millionen Menschen. Wenn ich in Indonesien eine gute Zeit haben will soll ich doch nach Bali fliegen, dort seinen die Menschen auch viel gechillter. Was ich denn hier machen würde, Business?

Ich erzähle Ramley, dass ich Journalistin bin und mich für die Aquilaria-Bäume interessiere. Eine ganz besondere Baumart, die in Asien und im arabischen Raum vorkommt. Wenn diese Bäume von einem besonderen Pilz befallen werden, entsteht ein ganz spezielles Harz. Die Indonesier nennen das Holz dann „Gaharu“ (englisch „Agarwood“ oder deutsch „Adlerholz“). Gaharu ist kostbar, auf dem Weltmarkt bringt es mehr Geld als Gold. Deswegen hat schon lange die Jagd nach dem Aquilaria-Baum begonnen. Er wird überall abgeholzt. Umweltschützer haben Angst, dass es den Aquilaria-Baum deswegen vielleicht bald gar nicht mehr geben wird. In Deutschland kennt kein Mensch diesen Baum.

Für Ramley ist das natürlich nichts Neues. Klar kennt er Gaharu. Als ich ihn danach frage denkt er als erstes an Gaharu als Rohstoff. Überrascht fragt er nach, ob wir in Deutschland Gaharu kaufen wollen? Ich muss mir ein bisschen das Lachen verkneifen, dabei hat Ramley gar nicht so unrecht. In Deutschland wird nicht mit Gaharu gehandelt. Und doch spielt das Öl, das aus dem kostbaren Holz extrahiert wird, auch bei uns eine Rolle. In Asien und im arabischen Raum hat Gaharu eine lange Tradition. Die Menschen nutzen das besondere Räucherholz seit dem Altertum als Medizin und für Zeremonien. Und natürlich dient der Rohstoff vielen Menschen als Broterwerb.

Doch auch bei uns in Europa kommt Gaharu indirekt an. Das Öl aus dem Adlerholz wird bei uns zu sündhaft teuren Parfums weiterverarbeitet. Balsamisch-süß, würzig-bitter oder holzig-animalisch würden Parfumeure den Duft beschreiben. In jedem Fall extrem besonders. Soviel habe ich zumindest vor meiner Reise gelesen und im Internet recherchiert. Aber wie riecht der Duft wirklich? Wie findet man gerade die Aquilaria-Bäume im Dschungel, die von dem seltenen Pilz befallen sind und Adlerholz entwickeln? Und warum pflanzt man den Baum nicht einfach im großen Stil neu an? Alle diese Fragen schwirren mir im Kopf herum. Schließlich will ich das Geheimnis des teuersten Duftes der Welt erkunden, deswegen bin ich hier und jetzt fast ein bisschen aufgeregt. Es ist Tag drei meiner Reise und beim Frühstück im Hotel komme ich das erste Mal mit einem Einheimischen ins Gespräch, der Englisch spricht und den ich zu Gaharu befragen kann.

Und auch wenn Ramley kein Umweltexperte oder Biologe ist, sondern nur Geschäftsmann, er hat zum Thema Gaharu auf jeden Fall eine Meinung. Gerade weil sich mit dem Adlerholz ein so gutes Geschäft machen lässt versuchten einige das Harz sozusagen selbst herzustellen. Die vom Pilz befallenen Aquilaria-Bäume im Dschungel zu finden sei einfach verdammt schwierig und extrem aufwendig, weil man dafür lange und tiefe Märsche in den Dschungel auf sich nehmen müsste. Warum also nicht einfach neu anpflanzen. In seiner Heimat im benachbarten Malaysia gebe es Händler, die für teuer Geld Samen verkaufen. „Ein Dummkopf, wer sie kauft und auf ein gutes Geschäft hofft“, lacht Ramley. Denn so einfach geht das nicht. Was auch daran liege, dass der chemische Prozess, also das was da passiert, wenn der Pilz den Baum befällt und das Harz entsteht, längst nicht entschlüsselt ist, erklärt mir der Geschäftsmann. Komisch, was für ein geheimnisvoller Baum denke ich.

Mit dem Frühstück sind Ramley und seine Frau jetzt durch. Beim aufstehen und Tschüss sagen erzähle ich den beiden noch, dass ich nach Sumatra und Borneo fliegen werde, aufs Land hinaus, eben dorthin, wo es den Dschungel und damit den Aquilaria-Baum gibt. Ramley schaut mich erschrocken an. Er breitete seine Arme aus. „Nach Borneo können sie nicht fahren“, sagt er. Und ich verstehe was er mit der Geste meint. „Auf Borneo und im Süden Sumatras können sie im Moment keine zwei Meter weit gucken. Dort brennt der Wald. Die Luft ist voll mit Rauchpartikeln, die sind ungesund und gefährlich. Weil es nicht regnet und der Wind ungünstig steht, haben die Behörden im benachbarten Singapur sogar die Schulen dicht gemacht und Sportveranstaltungen abgesagt. In der Zeitung stand, dass es auf Borneo und Sumatra zur Zeit 3000 Brände gibt. Es gibt sogar fast keine Gasmasken mehr zu kaufen. “

Ja, ich hatte das tatsächlich schon vor meiner Abreise auf der Webseite des Auswärtigen Amtes gelesen und sogar überlegt, eine Gasmaske mitzubringen. Ich bedanke mich bei Ramley und seiner Frau für das nette Gespräch. Die beiden wünschen mit noch eine gute Reise. Und während ich auf mein Hotelzimmer gehe und packe, überlege ich, was jetzt zu tun ist. Erst mal morgen nach Bogor – mit Vertretern von Umweltschutz-Verbänden und Einheimischen sprechen. Dann sehe ich weiter.