Aserbaidschan: Die Kuh und ich

Die Kuh hält abrupt inne. Sie stoppt ihre Suche nach den wenigen verfügbaren Grasbüscheln auf dem kargen Boden und guckt mich mit großen Augen verwundert an: Ist es die Kleidung? Sind es meine blonden Haare? Das Deo? Eines steht fest: So oft bekommt man im Dörfchen Lekit einen Ausländer nicht zu Gesicht. Da geht es der Kuh nicht anders als den Einheimischen.

Christliche Vergangenheit: Autor vor mittelalterlicher Kirche in Qax

Ich bin im ganz im Norden Aserbaidschans, in der Provinz Qax, unterwegs. Das Ziel des Trips: Einige  mittelalterliche Klosterruinen besuchen und zu den in der Region berühmten Wasserfällen wandern.

Reise in die Vergangenheit

Der Ausflug gleicht einer Zeitreise: Hühner und Kühe laufen frei auf den Straßen herum, irgendwo blökt ein Esel und die Wachhunde der Schafsherden (auf Türkisch: „Kangal“) schwanken beim Anblick des fremden Besuchs wechselweise zwischen erfreuter Aufregung und verwirrter Aggression.

Dagestan, eine der ärmsten und gefährlichsten russischen Provinzen, ist nur etwa zehn Kilometer Luftlinie, der nächste größere Supermarkt eine zweistündige Fahrt über eine, von Schlaglöchern übersäte, Bergstraße entfernt und nachts sind nur die Hauptstraßen spärlich beleuchtet.

Freizeitspaß in Lekit: Motorradfahren auf der Hauptstraße

Alltag zwischen Kuhdung und Bergluft

Frauen, eingewickelt in mehrere Schichten von Wollröcken und Blusen gegen die Kälte, hängen in den Gärten Wäsche zum Trocknen an die Leine, Männer in zu großen Sakkos und Schirmmützen stehen an den Straßenecken oder sitzen im Teehaus an der Hauptstraße.

Während sich in die klare Bergluft das Auspuffgeknatter alter, russischer Motorräder und der Duft von Kuhdung mischen, scheint sich die Kuh indessen an meinen Anblick gewöhnt zu haben:

Merkwürdige Kleidung, blonde Haare, komisches Deo hin oder her: Die wenigen verfügbaren Grasbüschel auf dem kargen Boden: Das ist es doch, was eigentlich zählt!

Nach dem ersten Schock entspannt: Kuh in Lekit