Über Paradiesgärten, platte Opferteller und Mc Donalds

Auf der Suche nach dem „echten“ Bali in Nusa Dua

junge Frau in rot-gelber Uniform mit rot-gelbem Cap hinter rot-gelber Theke

 

Im Dunkeln an einem völlig fremden Ort anzukommen garantiert ein aufregendes Erwachen. Wie Alice im Wunderland krebse ich am nächsten Morgen durch den Garten meiner ersten Unterkunft und entdecke diese neue Welt. Dazu noch schön verstrahlt mit Käseglocke auf dem Kopf dank Jetlag. Mega! Es wuchert nur so vor lauter Grün. Dazwischen kleine Wasserbecken mit Fischen, Springbrunnen, Vogelzwitschern. Kleine Steinfiguren grinsen mich schelmisch an. Einige von ihnen sind recht eindeutig nackt. Gefällt mir, Bali.

To Dos für heute: Essen, Nappen, Klarkommen

Wenn ich dazwischen noch ein bisschen Bali erleben kann, umso besser. Dafür habe ich mich in einem von Balinesen betriebenen Gästehaus in Nusa Dua einquartiert, etwas weiter nördlich vom touristischen Luxuszentrum des Ortes gelegen, ganz in der Nähe der umkämpften Benoa Bucht. In Nusa Dua hat der Tourismus in der Vergangenheit besonders gewuchert. Reiner Touristenort – habe ich vorher häufig gelesen. Zusammen mit Kuta und Sanur gehört die Gegend zu den großen Resort Distrikten der Insel. Mal gucken, ob es trotzdem etwas „Real Bali“ zu entdecken gibt. 

Am besten lässt sich das durch Nasi Goreng herausfinden – eines der traditionellen indonesischen Reisgerichte. Erfahrungsgemäß misst sich die Authentizität eines Landes am Nahrungserlebnis. Atmosphäre, Umgebung, Preis und Geschmack. Weniger eine empirische, viel mehr eine subjektive Messmethode. Mit dem Roller „fahre“ ich auf Nahrungssuche nach einer balinesischen Warung. Das Wort steht für „Lädelchen“ und es gibt die Warungs entweder mobil auf Rädern als kleinen Straßen-Verkaufsstand oder als Restaurant. Auf der hektischen Hauptstraße Richtung Norden begegnen mir Starbucks, italienische Restaurants und Sushi Bars. Dazwischen immer wieder Menschen, deren Erscheinung einen Touristenstatus vermuten lässt. Helle Hauttypen überzogen von einem breiten Rotspektrum, Shoppingtüte hier, Shoppingtüte da, teilweise Adilette. BBQ, griechisches Restaurant und wieder ein Italiener. Die Suche nach Bali-Food zieht sich hin. Und mit jeder weiteren Unebenheit auf der Straße meldet sich mein leerer Magen. Der dichte Verkehr, der Lärm, die Abgasgerüche. Leichte Überforderung macht sich breit. Klares Zeichen für aufkommende Hangryness. Dazu noch der Jetlag. Wahnsinn. „Journalistin verhungert am ersten Recherchetag auf Bali.“ Ich fange an mir BILD-Schlagzeilen daher zu phantasieren. Dann endlich, ein Schild, „Warung 99“. Sofort Anhalten! 

Täterprofil: Ich

Als ich mit meinem Roller auf den wellenförmigen Bürgersteig vor dem Restaurant fahre, weiche ich im letzen Moment einem kleinen Blumenhäufchen am Boden aus. Gelbe und pinke Blüten kredenzt auf einem liebevoll geflochtenen Bananenblatt zusammen mit einer Zigarette und einem Pfefferminz-Bonbon. Daneben ein minikleines Bananenblatt in Quadratform mit ein paar Reiskörnern. Alles platt wie eine Briefmarke. Scheint schon vor mir jemand drübergefahren  zu sein – denke ich mir, fast ein bisschen erleichtert. Während meiner Reise werden mir viele weitere Opferteller begegnen. Jeder platte Teller wird unweigerlich ein klares Täterprofil in meinem Kopf hervorrufen, mein eigenes. Welcher Hindu übersieht schon einen Opferteller? Überlege ich eilig und ziehe den Schlüssel ab. Kann mich aber auch irren, klar. Auch ein Hindu kann ja mal einen unaufmerksamen Moment haben oder schlichtweg in Eile sein oder vielleicht auch einfach mal einen Scheißtag haben. Wer weiß.

Das deutlich schönere Erwachen

Apropos Opfer. Hunger macht blind. Erst als ich sitze wird mir die Fehlentscheidung, die mich umgibt, bewusst. Knallige Plasiktransparente an den Wänden präsentieren die Menüauswahl: “Hot Choice Menu: 1 Chicken Cordon Bleu, 1 Frenchfries, 1 Es Teh“. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass die Farbkombinationen rot-gelb beim Kunden ein geringes Preisniveau suggeriert. Statt in einer traditionellen Warung bin ich in einer Art balinesisches Mc Donalds gelandet. Mit letzter Kraft frage ich die junge Frau in rot-gelber Uniform mit rot-gelbem Cap hinter der rot-gelben Theke nach „Indo Food“. Wenige Minuten später esse ich ein trauriges Nasi Goreng, ölig und fad. Das liebloseste meiner gesamten Reise. Das Erwachen am Morgen war das deutlich schönere.