Rote Tomaten aus Namibia

Die Glocke klingelt. Es ist halb eins. Die jungen Auszubildenden strömen aus dem Unterricht und gehen in einen Essraum. Es gibt Spaghetti, Geschnetzeltes und Salat. Ich bin auch eingeladen und nehme am Tisch zusammen mit Herunga und Brian Platz. Sie wollen Farmer werden und haben vor kurzem ihre Ausbildung am ATCK, dem Agricultural Training Centre Krumhuk (Krumhuk liegt südlich von Windhoek) begonnen. 17 Männer und zwei Frauen sind im aktuellen Jahrgang. Sie lernen in den kommenden zwei Jahren alles über Weide- und Wassermanagement, Tier­impfungen, Gemüseanbau und vieles mehr. Die ersten Absolventen haben erst Ende letzten Jahres die Schule verlassen. Das Projekt ist noch ganz jung. Genau wie die Azubis.

Herunga hat Dienst auf dem Gemüsebeet.

Herunga ist 19 Jahre alt, Herero, selbstbewusst. Er trägt ein weißes Shirt, die schwarzen Haare hat er zur coolen Kurzhaar-Frisur gestylt. Seine Mutter besitzt eine Farm im Norden des Landes mit über 6.000 Hektar. Herungas Großmutter hat sie 1995 erworben. Vor der Unabhängigkeit und zur Zeit der Apartheid wäre das nicht möglich gewesen. Herunga hat zu Hause schon eine Menge über die Farmwirtschaft gelernt. Die biologische Landwirtschaft war für ihn dagegen ganz neu. In einem Seminar bekam er einen ersten Eindruck. Seitdem ist er überzeugt, dass das der richtige Weg für Namibia sei: „ I am happy to become an organic farmer.“ Ob das nicht zu Konflikten mit seiner Mutter führen wird, wenn er auf den Hof zurückkehrt und vieles umkrempeln will, frage ich. Er winkt gelassen ab. Seine Mutter unterstützt ihn und finanziert ihm die Ausbildung. 500 namibische Dollar sind das pro Monat, umgerechnet um die 50 Euro. Am Nachmittag steht die „routine work“ auf dem Stundenplan. Herunga ist diese Woche für das Gemüsebeet eingeteilt. Einige der Tomaten sind schon rot und reif. Herunga beißt in eine Frucht, er grinst. Die schmecke einfach nur gut und das ganz ohne Chemie.

Brian versorgt die Kühe mit Heu.

Nebenan fährt Brian mit einem Pickup vor. Die Ladefläche ist voll mit frisch duften­dem Heu. Mit einer Mistgabel lädt er es ab und schmeißt es den drei Milchkühen zum Fressen vor. Brian ist hoch gewachsen und durchtrainiert. In seiner Freizeit spielt er Rugby. Er liebt die Natur. Sein Großvater hätte einen Fernsehbericht über das ATCK gesehen und gemeint, dass diese Ausbildung genau das richtige für ihn wäre. Brian ist vor ein paar Tagen 19 geworden, er ist der jüngste in der Gruppe. Es sei eine Herausforderung für ihn, sich gegen die anderen durchzusetzen. Denn wenn er einmal eine Führungskraft werden wolle, müsse er das jetzt schon lernen. Das ist auch das Ziel dieser Ausbildung. Die jungen Männer und Frauen sollen nicht einfache Arbeiter auf Farmen werden, sondern diese einmal selbst managen und zwar mit Gewinn. In Namibia leben 70% der Bevölkerung von der Landwirtschaft und die meisten Farmer in den kommunalen Gebieten betreiben Subsistenzwirtschaft. Das heißt, sie produzieren die landwirtschaftlichen Güter überwiegend für den Eigenbedarf. Lediglich 44% der Betriebe arbeiten kommerziell.

ATCK-Schulleiter Andreas Fellner

Die Kühe machen sich bemerkbar, sie wollen gemolken werden. Schulleiter Andreas Fellner kommt um die Ecke, nimmt sich einen Schemel und hilft mit. Es sieht so aus, als ob er das schon seit Jahren machen würde. Dabei war er 25 Jahre lang Waldorflehrer in Nordrhein-Westfalen. Vor vier Jahren kam er nach Namibia. Er suchte eine neue Herausforderung. Die größte besteht wohl darin, immer wieder neue Spender vor allem aus Deutschland für das Projekt zu gewinnen. Der Hauptanteil der laufenden Kosten wird durch Spenden und Fördermittel gedeckt. Alleine ein Ausbildungsplatz kostet pro Monat 350 Euro. Die ersten Investitionen für die Ausbildungsräume, die Küche und das Internat, in dem alle wohnen, leistete das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Gerade werden Spender für einen Traktor für die Heuernte gesucht.

Im Innenhof der Farmschule

Die Kühe sind gemolken, das Gemüsebeet gewässert. Herunga, Brian und die anderen Studenten haben Feierabend. Nach dem Abendessen treffen sie sich im Innenhof der Schule, schreiben SMS an ihre Freunde und hören Musik – namibischer und südafrikanischer Hip Hop. Ab und zu machen sie selber Musik. Vier der Studenten holen ein paar Stühle und bilden einen Halbkreis. Dann singen sie ein Gospellied vom Volksstamm der Damara. Im Hintergrund muht eine Kuh.