Besuch in Campeche, einem wunderschönen Kolonialstädtchen im gleichnamigen mexikanischen Bundesstaat, direkt am Golf von Mexiko. Die Hafenstadt atmet Geschichte, war hier doch früher ein wichtiger Stützpunkt für die mit Silber beladenen Schiffe, die von Veracruz Richtung Spanien unterwegs waren. Doch lassen wir die Festung, die alte Stadtmauer und die vielen Kirchen mal außen vor, denn auch neuere mexikanische Geschichte hat hier seinen Platz. Mitten in der Fußgängerzone sind acht kunstvolle Holzstelen wie kleine Totempfähle aufgerichtet.
„To plant a tree is to erect a stele“ heißt das Kunstprojekt, wie mir ein großes mehrsprachiges Schild erklärt – auf Englisch, Spanisch und auf einer der Maya-Sprachen. Das Holz, das hier verwendet wurde, stammt von Bäumen, die dem Maya-Zug zum Opfer gefallen sind.
Totempfähle haben nichts mit Marterpfählen zu tun – nur wenige Stämme in den USA haben diese Folterinstrumente verwendet. Totempfähle haben für indigene Stämme eine lange kulturelle Bedeutung und werden oft zur Darstellung von Familiengeschichten, Mythen, Legenden oder als Symbole für wichtige Ereignisse oder Persönlichkeiten verwendet. Sie bestehen typischerweise aus großen aufrecht stehenden Baumstämmen, die mit verschiedenen Schnitzereien und Symbolen verziert sind. Jedes Symbol oder jede Figur auf einem Totempfahl hat eine spezifische Bedeutung, erzählt Geschichten oder repräsentiert Eigenschaften. Man findet die Totempfähle in Kanada, den USA und auch bei den Mayas, die früher hier in der Region lebten.
Das Holz stammt aus einem echten Urwald und zwar von hier, von der Halbinsel Yucatan. Dort wird gerade eines der größten Bauprojekte Mexikos umgesetzt: Auf einer Strecke von 1.500 Kilometern soll der Maya-Zug historische Tempel und Touristenorte miteinander verbinden. Die Natur leidet unter dem Infrastrukturprojekt, denn die geplante Strecke soll durch ökologisch sensible Gebiete verlaufen. Dafür müssen Bäume gerodet und Lebensräume zerstört werden. Allerdings will ich nicht über das Projekt urteilen – schon gar nicht, wo ich doch selbst aus einem von Schienen durchzogenen Kontinent komme. Das Projekt bietet auch Chancen für die strukturschwache Region und die Regierung ist bemüht, den ökologischen Schaden möglichst klein zu halten.
Auch das Kunstprojekt urteilt nicht. Das Holz nimmt die Form der wichtigsten Elemente des Urwalds an, also Flora, Fauna, Land und Menschen, und wird zu deren Schutzgeistern. Die ehemaligen Bäume erfüllen so eine neue Rolle. „Sowohl ihre Herkunft als auch ihre Bedeutung regt dazu an, zweimal über die Natur nachzudenken“, steht auf dem Schild. Mich berührt dieses Projekt zutiefst.