Man könnte über Kolumbiens atemberaubende Landschaften schreiben; über mächtige Wasserfälle im tiefgrünen Regenwald, über tropische Bergketten in Antioquia, in deren Wäldern Jaguare umherziehen oder über weiße Strände an der Karibik- oder Pazifikküste, an denen die Meeresschildkröten die erste Wanderung ihres Lebens ins riesige Blau beginnen. Man könnte auch über die Gastfreundlichkeit der Menschen schreiben, die oft Klischee aber meistens auch wahr ist. Über die unfassbare Vielfalt an Musik, die dieses Land in seinen Regionen hervorbringt; und dass in Musikstilen wie Champeta oder Bullerengue beim Singen immer auch getanzt wird; oder darüber, dass es wohl an die geschätzte 100 Lieder gibt, deren Texte fast alle Kolumbianer*innen mitsingen können.
Aber für mich war Kolumbien in den letzten Jahren vor allem eins: Ein Land, in dem es – zumindest von außen betrachtet – so etwas wie eine Aufbruchstimmung gab. Während international Klimakrise, Verarmung und Krieg kaum Raum für die Vorstellung einer besseren Zukunft lassen; schien Kolumbien sich so langsam aus der Umklammerung eines jahrhundertelangen Krieges zu befreien und das Ziel einer besseren Zukunft vor Augen zu haben. 2021 initiierten Soziale Bewegungen und Gewerkschaften einen Volksaufstand gegen die korrupten, rechtsextremen Eliten, denen sich in großen Massen bisher kaum politisch aktive Jugendliche aus den marginalisierten Vierteln der Großstädte anschlossen. Über Monate hinweg wurde eine Unzufriedenheit – aber eben auch der Kampf für ein anderes Kolumbien sichtbar – der über die letzten Jahrzehnte durch staatlichen und parastaatlichen Terror stets unsichtbar gemacht worden war.
Ein Jahr später – 2022 – wurde dann schließlich das erste Mal in der Geschichte Kolumbiens eine progressive, in der Zivilgesellschaft stark verankerte Regierung gewählt. Bis zum Wahltag gab es Befürchtungen, die linken Kandidat*innen Gustavo Petro und Francia Marquez könnten wie so viele andere Präsidentschaftskandidat*innen umgebracht werden, bevor sie gewählt werden könnten. Doch stattdessen gelang der demokratische Regierungswechsel.
Nun, knapp zwei Jahre später, ist das Gefühl der Zuversicht nach meinem Eindruck gewichen. Stattdessen dominiert zwischen den Zeilen vieler Gespräche mit Freund*innen, Bekannten und Unbekannten so etwas wie Resignation. Der Krieg mit seinen Morden, Vertreibungen und Bedrohungen geht weiter und ein Ende ist nicht in Sicht. Politisch motivierte Guerrillas werden weitestgehend durch Netzwerke aus primär finanziell interessierten illegalen Banden ersetzt, die bisher noch intakte Natur wird mit Bergbaukonzessionen (oder sogar mit rein exportorientierten Wind- und Solarparks) seziert, die wirtschaftliche Krise hält an. „Todo esta muy caro“ – „alles ist extrem teuer“ sind die Zeilen eines der meistgehörtesten Rapsongs in dieser Zeit.
Oft wird auch nach unten getreten – in Richtung der Migrant*innen aus Venezuela.
Über die neue Regierung herrscht Ernüchterung; aktuelle Umfragen zeigen das. Die Gründe dafür würden diesen Blogbeitrag sprengen. Aber abgesehen von der institutionellen, parlamentarischen Politik hat sich auch auf den Straßen, an den Esstischen, am Rande der Sportplätze, vor den Kirchen oder in den Cafés etwas verändert. Das Wort Hoffnung hat gerade nicht besonders Konjunktur.