Mexiko: Claudia, die nächste Präsidentin?

Claudia Sheinbaum betritt die Bühne und winkt der Menge zu, begleitet von mexikanischer Tanzmusik, die sie und ihre Partei als Erlöser Mexikos feiern. Alles deutet darauf hin, dass die zierliche Frau mit dem strengen Pferdeschwanz Mexikos erste Präsidentin wird. Über Wochen tourte die ehemalige Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt als Präsidentschaftskandidatin der Partei Morena durchs Land. Nun, am 18. Januar 2024 findet die Abschlusskundgebung des Vorwahlkampfs im Baudenkmal „Révolution“ in Mexiko-City statt. Ich besuche das Event mit zwei Reporterinnen vom Radiosender, bei dem ich mein Praktikum mache. Während wir die Menge und die Kandidatin filme, erklären mir die beiden auch viel zum mexikanischen Wahl- und Parteiensystem.

Von 1929 bis 2000 stellte die Partei PRI (Partido Revolucionario Institucional, übersetzt „Partei der institutionalisierten Revolution“) ununterbrochen den Präsidenten und besetzte Schlüsselpositionen in der Regierung und im Parlament. PRI trug damit deutliche Züge einer Einheitspartei. Im Jahr 2000 endete das politische Monopol von PRI, als Vincente Fox von der konservativen PAN (Partido Acción Nacional) zum Präsidenten gewählt wurde. Auch die nächste Wahl sechs Jahre später konnte PAN für sich behaupten, dann gewann 2021 erneut ein Kandidat der PRI die Präsidentschaftswahl. Aktuell dominiert ein neuer politischer Player: Morena (Movimiento Regeneración Nacional, auf deutsch: Bewegung Nationaler Erneuerung) ist eine sozialdemokratische Partei, die 2011 von Andrés Manuel López Obrador (auch kurz AMLO genannt) gegründet wurde. AMLO ist seit 2018 mexikanische Präsident und ist bei den meisten sehr beliebt. Da in Mexiko eine Wiederwahl nicht möglich ist, hat sich AMLO für Claudia Sheinbaum als seine Nachfolgerin ausgesprochen. Dadurch gewann sie viel Ansehen. Ihre wichtigste Herausforderin Xóchitl Gálvez ist interessanterweise Kandidatin von PAN, PRI und PRD zusammen, die sich als Mitte-Links-Koalition Frente Amplio por México zusammengeschlossen haben.

Es ist also fast sicher: Mexikos nächster Präsident wird eine Frau!

Schon vergangenes Jahr wirkte Sheinbaum für mich wie die wichtigste Präsidentschaftskandidatin. Gefühlt habe ich überall, selbst auf dem hinterletzten Schuppen des Landes ihren gepinselten Namen beziehungsweise den Hashtag #EsClaudia gesehen. All diese Kampagnen waren erst einmal offiziell nur an die Parteimitglieder gerichtet, denn für den offiziellen Wahlkampf war es noch viel zu früh. Gewählt wird nämlich erst am 2. Juni 2024.

Fans der Präsidentschaftskandidatin
Fans der Präsidentschaftskandidatin © Marlene Thiele

Doch auch der Vorwahlkampf ist in Mexiko eine große Party. Ich habe ein vergleichbares Event kenne ich nicht aus Deutschland, aber das hier toppt sicherlich alles. Auf dem Platz der Révolution und allen umliegenden Straßen versammeln sich Zehntausende, viele tragen bordeauxrote Shirts und Kappen mit der Aufschrift Morena oder #EsClaudia. Tänzer heizen der Masse ein, Verkäufer verteilen Softdrinks und Snacks. Es gibt auch Merchandise: Claudia Sheinbaum als Magnet, als kleine Puppe, Schlüsselanhänger, sogar als Simpson-Cartoon-Figur. Und überall läuft Musik, quasi nur zwei Songs in Dauerschleife, einer preist die Partei Morena als Hoffnung Mexikos, der andere feiert Sheinbaum als „beste Option für Mexiko“.

Die zwei Reporterinnen nehmen mich mit auf die Presse-Tribüne und wir verfolgen Sheinbaums Rede aus der Nähe. Wie viele Politiker in Wahlkampfreden sagt die 61-Jährige viele Dinge, die ich gut finde. Fast interessanter ist es aber, die Zuschauer zu beobachten. Tatsächlich kommt kaum Stimmung auf – weder jubeln die Fans noch tanzen sie zur Musik. Viele seien gar nicht wirklich hier, um der Präsidentschaftskandidaten zuzuschauen, erzählt man mir im Nachhinein. Stattdessen würden viele „Unterstützer“ mit Sandwiches und einem Saft oder Softdrink von weit her zu den großen Events gelockt . Schockiert ist davon aber niemand, überrascht auch nicht. Tatsächlich scheinen diese extern motivierten Fans völlig selbstverständlich zum mexikanischen Wahlkampf dazuzugehören.