One Africa Television

Es ist kurz nach fünf Uhr und im Großraumbüro herrscht eine hektische Atmosphäre. Mehrere Reporter sitzen an ihren Computern. Sie texten und schneiden Fernsehbeiträge für die Hauptnachrichtensendung von One Africa Television, Namibias einzigem privaten TV-Sender. Die Zeit drängt. Um sechs Uhr muss das halbstündige Magazin „News on One“ aufgezeichnet werden. Um sieben Uhr geht es auf Sendung. Ralph Höfelein eilt von Reporterplatz zu Reporterplatz und schaut sich die Beiträge an; er will, dass Bilder umgeschnitten werden oder merkt Text­änderungen an. Heute ist er der Schlussredakteur, wie fast jeden Tag. 2002 kam der ehemalige SWR-Journalist als freiberuflicher Reporter nach Namibia. Jetzt lebt er für One Africa Television. Manchmal fühlt er sich wie ein Fernseh-Entwicklungshelfer. Technisch sind die Kollegen versiert. Alle Reporter sind VJs, Video-Journalisten. Sie fahren als Ein-Mann Teams mit kleiner digitaler Kamera raus. Am Rechner schneiden sie ihre Beiträge. Bei den Texten muss Ralph aber regelmäßig korrigieren. Die englische Sprache sei für viele immer noch ein großes Problem.

Das Gebäude von One Africa Television

Viele Schüler könnten nach 12 Jahren Primary School (1.-7. Klasse) und High School (8.-12. Klasse) und dem NSSC-Abschluss (Namibia Senior Secondary Certificate) kein gutes Englisch. Wenn er Medien-Seminare an der namibischen Universität (UNAM) gebe, erlebe er, dass Erstsemester-Studenten noch nichts von der Groß­schreibung am Satzanfang gehört hätten. Und hier beginnt das Dilemma, in dem sich Namibia befindet. Viele schlecht ausgebildete, junge Menschen strömen auf einen schwachen Arbeitsmarkt, die Arbeitslosigkeit liegt bei 51 Prozent. Das Wirtschaftswachstum ist nicht so hoch, um solch eine Zahl aufzufangen. So etwas wie das Arbeitslosengeld existiert nicht.

Diejenigen, die Arbeit haben, verdienen oft sehr wenig. 2.000 nami­bische Dollar (NAD) im Monat, umgerechnet ca. 200 Euro, sind keine Ausnahme. Wer 20.000 NAD am Ende des Monats erhält, gehört zu den Besserverdienenden. Auf der anderen Seite steigen die Mieten und die Lebensmittelpreise rasant (ein kleiner Einkauf mit Milch, Trinkwasser, Müsli, Butter und Brot kostet 100 NAD, ca. 10 Euro). Viele Menschen leben auf Pump oder vom Familienverbund. Und doch würde sich das Land zum Positiven entwickeln, sagt Ralph. Er hegt Hoffnung und sieht eine Menge Potential, ansonsten würde er sich wohl nicht so engagieren. Und es könnte sich tatsächlich etwas verändern. Denn das Bildungsministerium will handeln: 8,3 Milliarden namibische Dollar (ca. 820 Mio Euro) sollen im neuen Haus­halt für Bildung ausgegeben werden. Das ist der größte Einzeletat. Damit sollen unter anderem neue Klassenzimmern gebaut und neue Schulbücher angeschafft werden.

Redaktionsraum

Die einzige Konkurrenz, die Ralph und seine Crew hat, ist die staatliche Namibian Broadcasting Corporation (NBC). Sie betreibt neben mehreren Radiostationen (in verschiedenen Sprachen, u.a. auch ein deutsches Hörfunkprogramm) einen Fernsehkanal. Neben der NBC ist auch One Africa Television für alle Namibier frei zugänglich. Tägliche Unterhaltungsserien werden aus Südafrika übernommen, die Weltnachrichten kommen von der BBC World. Da One Africa Television keine private Konkurrenz habe, böte sich eine große Chance für den kommerziellen Sender, aber nur theoretisch. Die Wirtschaft sei zu schwach, es gäbe zu wenige Unter­nehmen, erklärt Ralph. So muss man für 30 Sekunden TV-Werbung läppische 100 Euro zahlen. Damit ist kein Gewinn zu machen. Drei Autos müssen sich die sechs Reporter teilen, eines davon ist gerade in der Werkstatt.

Redakteur Ralph und Techniker Lazarus (v.l.)

Es ist kurz vor sechs. Lazarus eilt in den kleinen Regieraum neben dem Studio. Er ist 29 Jahre alt und seit 2006 bei dem Privatsender. Vorher hat er als Computerfach­mann gearbeitet. Jetzt kümmert er sich um die Fernseh-Technik. Er hilft auch den Praktikanten, wenn sie ihre ersten Beiträge selbstständig schneiden sollen. Im Redaktionsraum werden die letzten Beiträge vertont. Dorotea sitzt konzentriert vor ihrem Rechner. Ihr Stück ist erst für morgen eingeplant. Die 20-Jährige studiert Kommunikationswissenschaften an der Polytech und macht ein zweimonatiges Praktikum. Der Bachelor-Studiengang ist relativ neu und eine Mischung aus Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit. Für ein Semester müsse sie zwischen 3.000 und 8.000 NAD zahlen (ca. bis zu 830 Euro). Die journalistische Ausbildung sei zwar theoretisch angelegt, aber sie würde insgesamt sechs Monate Pflichtpraktika absolvieren. Ihr Ziel sei es, einmal für die namibische Telecom oder einen privaten Telefonanbieter in der PR-Abteilung zu arbeiten.

Die Aufzeichnung geht los.

Ralph sprintet von der Redaktion in die Regie. Lazarus hat alles für die Aufzeichnung vorbereitet. Moderatorin Johanna sitzt schon ungeduldig im kleinen Studio. Vor ihr auf dem Tisch liegen ihre Moderationszettel. Hinter ihr ein dunkler Vorhang. Mit Hilfe des Computers wird für die Sendung eine virtuelle Weltkarte mit Afrika im Mittelpunkt auf den Fernseh-Bildschirm projiziert. Johanna soll eine Sprechprobe machen. Aber ihre Stimme ist im Regieraum nicht zu hören. Es ist viertel nach sechs. In einer halben Stunde muss das komplette Nachrichtenmagazin an den Senderaum geschickt werden. Von dort wird es über den Äther gesandt. Ralph greift ein und findet den Fehler. Jetzt kann die Aufzeichnung starten.

Moderatorin Johanna

Johanna liest die erste Moderation. Das Thema beschäftigt die Namibier schon seit Wochen: Hohe Beamte sollen mehrere Millionen namibische Dollar aus dem Pensionsfonds der Regierung veruntreut haben. Das zweite Thema zieht sich schon seit der letzten Parlamentswahl Ende 2009 durch die Nachrichten. Es geht um die Wahlklage der neun Oppositionsparteien vor dem namibischen Obergericht. Die Opposition wirft der Wahlkommission Wahlbetrug vor und fordert die Annullierung der Wahlen. Ferner wird über die baldige Eröffnung des ersten 5-Sterne Hotels in Windhoek und über das bevorstehende Konzert der britischen Reggae-Band UB40 berichtet. Lazarus fährt Moderationen und Beiträge auf dem Rechner zusammen. Ralph atmet laut auf. Johanna hat das Licht im Studio schon ausgeknipst und rauscht vorbei. „See you tomorrow.“