In Totogalpa ist die Erde nackt. Auf vielen Hügeln in dem Bezirk im Norden von Nicaragua an der Grenze zu Honduras steht kein Baum, kein Strauch und die Grashalme sind vertrocknet.
Geerntet hat fast niemand in diesem Jahr. Auch Neyda Suyapa und ihre Familie nicht. Normalerweise konnte die Familie 30 bis 40 Säcke Mais einlagern. „Jetzt wird es hart für uns, weil wir das alles kaufen müssen.“ Von Januar bis März ist es besonders trocken und heiß. „Die Monate verbringen wir jetzt mit backen.“
Zusammen mit einer Nachbarin macht sie Rosquillas, kleine Teigringe, und Trockenkuchen, um sie in der Nachbarstadt auf dem Markt zu verkaufen. Die 22 Jahre alte Frau verbringt den Nachmittag in der Küche zum Backen und den Morgen im Bus und auf dem Markt mit Verkaufen. Ihr Mann arbeitet auf dem Feld, aber im Moment ist dort auch nicht viel zu tun. Regen ist nicht in Sicht. Viele der Nachbarn sind auf den Plantagen in Honduras, Costa Rica und El Salvador oder pflücken Kaffee im Hochland.
„Wir haben hier ein Problem der Ernährungssicherheit.“
Edwin Lopez Soto, der Beauftragte des Bürgermeisters für die ländliche Entwicklu
ng, schätzt, dass mehr als 90 Prozent der Ernte vertrocknet sind. „Das betrifft auf dem Land alle Familien und viele haben kein Geld, um sich Essen zu kaufen. Wir haben hier ein Problem der Ernährungssicherheit.“ Die Regierung werde den ärmsten Familien mit Lebensmittellieferungen helfen, verkündet er: 80 Prozent der verlorenen Ernte würden ersetzt werden. Die Lokalregierung in Totogalpa gehört zur FSLN von Daniel Ortega.
Und die Dürre ist in Nicaragua politisch geworden, seit die nationalen Tageszeitungen das Thema unter der Überschrift „Hungersnot bedroht den Norden“ auf die Titelseite gebracht haben. Neyda Suyapa sieht es nicht so dramatisch: „Wenn man arbeitet, dann wird man hier zwar nicht reich, aber man verhungert auch nicht.“ Sie sagt aber auch: Viele ihrer Nachbarn machen nur einmal am Tag Feuer in der Küche. Was gibt es denn in ihrer Familie zu essen? „Reis, Bohnen, Tortilla.“ Gemüse gibt es so gut wie nicht, lediglich Bananen und Tomaten gebe es ab und zu. Das Leben sei eben hart.
Neyda Suyapa blickt auf ihre beiden Töchter. Die 5-jährige Tania und ihre 3 Jahre alte Schwester Luisa spielen im Hof mit dem ausgemergelten Hund: „Manchmal, wenn ich sehe, was die Kinder alles brauchen, dann denke ich schon darüber nach, ob ich nicht auswandern sollte.“
Früher gab es alle 7 Jahre eine Dürre – heute alle zwei Jahre
„Die Dürre trifft genau die ärmsten der Bevölkerung, die von der Subsistenzlandwirtschaft leben“, sagt Jürgen Schmitz, der Leiter der Deutschen Welthungerhilfe in Nicaragua. Er schätzt, dass der Schaden, der durch eine Dürre entsteht ungefähr ein Drittel von dem beträgt, was ein starker Hurrikan wie Mitch (
1998) verursacht. Solch ein Wirbelsturm zieht aber nur alle 30 Jahre über das Land. Die Dürren kommen immer häufiger. Den Grund sieht Schmitz im Klimawandel, teils global bedingt, teils lokal verursacht: „Die Dürren sind eigentlich im Rahmen dieses Klimaphänomens El Niño alle 7 Jahre im Schnitt in Lateinamerika aufgetreten, jetzt kommen sie im Rhythmus von ein bis zwei Jahren wieder.“
In Totogalpa, sagt Lopez, seien vor 30 Jahren noch 1.500 mm Regen im Jahr gefallen, heute sei es nur noch die Hälfte. Vor allem die Abholzung sei daran schuld. Misael Senteno, ein junger Landwirt, der in der Nähe von Totogalpa arbeitet, erinnert sich: „Als ich 5 Jahre alt war, gab es in den Bergen viel Wald, es gab Tiere und Vögel. Es war wunderschön. Und heute, 15 Jahre später, da ist es fast eine Wüste, es gibt kaum noch Bäume.“ Früher hätten die Bauern dreimal im Jahr geerntet, jetzt gerade noch einmal im Jahr. Die Abholzung habe die Menschen in die Armut getrieben.
Mal zuviel, aber meistens zu wenig Regen
Deswegen will die Regierung das Fällen von Bäumen nun strenger bestrafen und an den Quellen soll aufgeforstet werden, verspricht der Entwicklungsbeauftragte Lopez.
Aber nicht nur die Trockenheit ist ein Problem: In Nicaragua fallen in manchmal 6 bis 7 Stunden 200 Liter Wasser auf einen Quadratmeter. Das sei ein Viertel des Jahresniederschlags in Deutschland. „Wenn das auf einen Boden fällt, wo keine Vegetation ist, weil er abgerodet wurde, um Weideflächen zu schaffen, dann spült das Wasser den fruchtbaren Boden weg“, erläutert Schmitz. Aber auch das Wasser ist für die landwirtschaftliche Nutzung verloren: Es läuft oberflächlich ab, sammelt sich in den Flüssen und fließt ins Meer.
„Der Klimawandel lässt sich ja nicht mehr stoppen“, sagt Schmitz. Deswegen müssen sich die Kleinbauern anpassen.