Fairer Kaffee?

Ein Stück selbstbestimmte Wertschöpfungskette

Der faire Handel (Fair Trade) hat den Anspruch mit diesem Muster zu brechen, der Profit soll vor allem bei den Produzenten bleiben. Der zentrale Mechanismus dafür ist die Preisgestaltung. Das Prinzip von Fair Trade: Die Kleinbauern/Kooperativen bekommen für den Kaffee immer einen Bonus auf den Weltmarktpreis und niemals unter einem bestimmten Wert (meist etwa 130 US-Dollar pro Sack Kaffee). Die Kooperativen lassen sich von einem internationalen Kontrolleur für ihre Arbeitsbedingungen zertifizieren und werben damit, dass ihr Kaffee fair produziert und gehandelt wird.

Weder fair noch marktwirtschaftlich?

Für den Agrar-Experten Manuel Fandiño ist der „mercado justo“ weder ein Markt noch ist er fair: „Der Unterschied ist minimal, damit verändert sich das Leben nicht und es erlaubt den Kleinbauern auch nicht, Eigenkapital aufzubauen, um zu investieren.“ Die Direktorin der Kooperative Soppexcca, Fatima Ismael, sieht das anders: „Es geht nicht nur um den Preis.“ Für sie steht die Frage im Mittelpunkt, wie viel der Wertschöpfungskette die Produzenten kontrollieren können.

Soppexcca ist der Zusammenschluss von mehreren Kooperativen mit insgesamt rund 650 Produzenten zu einem großen Verband, in Nicaragua sind sie der größte Anbieter von fair gehandeltem Kaffee.

Handel ohne Mittelsmänner

„Wir als kleine Produzenten müssen uns organisieren, sonst sind wir den Mittelsmännern ausgeliefert und bleiben in der Armut hängen. Aber wenn wir uns organisieren, dann können wir direkt mit den europäischen Käufern verhandeln“, sagt der Kaffeebauer Gustavo Telavera. Der 54-Jährige gehört zu den Gründungsmitgliedern von Soppexcca. Für ihn habe sich der Faire Handel gelohnt, sagt er. Seine acht Kinder können auf die Universität gehen, er konnte Land kaufen und seine Finca auf ökologische Produktion umstellen. Und den Kaffee verkauft er nun im Schnitt für 170 US-Dollar pro Sack – deutlich teurer als der durchschnittliche Preis auf dem Weltmarkt.

Don Gustavo

Der Kaffee ist zertifiziert als ökologisch und fair angebaut. “Jedes Jahr kommt ein Kontrolleur und wir müssen das bezahlen”, sagt Telavera. 2.500 Euro kostet das Siegel, dazu kommen noch indirekte Kosten für die Kontrolleure, die ebenfalls von der Kooperative getragen werden müssen. “Aber es lohnt sich, meiner Familie geht es besser.” Den Zahlen der Soppexcca-Buchhaltung zufolge, verdienen die Kleinbauern im Schnitt 10 US-Dollar pro Sack mehr.

Kontrolle über die Wertschöpfungskette

Anders als die meisten ihrer Kollegen, verkaufen die Soppexcca-Produzenten ihren Kaffee nicht kurz nach der Ernte an eine große Firma. „Wir haben jetzt die gesamte Wertschöpfungskette unter Kontrolle, von der Produktion bis zum Export oder zum Endverbraucher“, sagt Direktorin Ismael. Das bedeutet, die Produzenten sind nicht den Bedingungen der großen Firmen ausgeliefert, sie können auf Produktionsmethoden, Qualität und Vermarktung Einfluss nehmen – denn Soppexcca wird über demokratische Strukturen von den Mitgliedern der Kooperativen kontrolliert.

Letzte Auslese vor dem Export – Handarbeit

In der Nähe von Matagalpa hat Soppexcca einen eigenen „beneficio seco“, die Trockenverarbeitung des Kaffees, und eine kleine Rösterei. Fast eine Million US-Dollar Investitionen stecken in dem Komplex mit einer riesigen Lagerhalle und großen Flächen wo die Bohnen getrocknet werden. Dort arbeiten vor allem Frauen. Auch den Transport organisiert Soppexcca mittlerweile selbst mit eigenen Lastwagen. Für viele Produkte ist der Weg über die oft schlechten Straßen ein teures und riskantes Nadelöhr. Wenn der Sack Kaffee auf dem Dach eines Busses drei Stunden neben Benzinkanistern liegt, dann begleitet das Benzinaroma den Geschmack der Bohne bis in die Kaffeetasse.

Kaffeemärkte

Der größte Teil des Kaffees der exportiert wird, kommt als Rohkaffee in den Container. Nur ein kleiner Teil wird geröstet verschifft. Soppexcca beliefert neben den Fair-Trade-Handelsketten aber auch den konventionellen Markt: „Der faire Handel kann auch nicht alles aufnehmen, was unsere kleinen Produzenten herstellen. Das braucht noch ein wenig Anstrengung, damit der Kaffee mit dem Fair-Trade-Siegel einen größeren Marktanteil hat.“ Außerdem gibt es noch einige Spezialitäten: Kaffee, der ausschließlich von Frauen produziert wird zum Beispiel.

International – also in den Supermärkten in Straelen am Niederrhein oder in Los Angeles – muss Soppexcca mit den großen, internationalen Röstern mithalten: Starbucks, Tchibo oder Nestlé. Und die haben einen klaren Vorteil beim Preis: Sie kaufen verschiedene Kaffees ein, teure und billige – aus Afrika, Asien und Lateinamerika. Die verschiedenen Sorten mischen sie dann und können so den Preis drücken, weil einige der Kaffees nur 60 US-Dollar pro Sack kosten. „Wir schreiben auf jeden Beutel Kaffee drauf, wo er herkommt, und der Inhalt hat zu 100 Prozent die gleiche Qualität“, sagt Doña Fatima.

Menge = Marktmacht

Außerdem bewegt die transnationale Konkurrenz größere Mengen. Der deutsche Marktführer Tchibo setzt allein auf dem deutschen Markt gut eine Milliarde Euro um, Soppexcca erreicht insgesamt nicht einmal eine Million US-Dollar. Der Mengeneffekt bei Transport, Lagerung, Vermarktung und Rösterei verringert die Konkurrenzfähigkeit der selbstorganisierten Kleinbauern gegenüber den großen international operierenden Konzernen.

Die Röstung – die meisten Bohnen werden erst in den USA oder Europa geröstet

Soppexcca versucht deshalb auch den einheimischen Markt verstärkt zu bedienen. Doch der ist klein, denn auch wenn Nicaragua ein Land des Kaffees ist, so ist es kein Land voller wählerischer, kauffreudiger Kaffeekonsumenten. In den Supermärkten ist die Auswahl an löslichem Kaffee deutlich größer als bei gemahlenem Kaffee oder ganzen Bohnen. Hochwertige Produkte sind nur vereinzelt im Sortiment.

Manuel Fandiño, der sich selbst als Kaffeefeinschmecker bezeichnet, erzählt bei diesem Thema gerne die Geschichte von den Kaffeebauern, denen verschiedene Kaffees zum probieren gegeben wurden – ein exzellenter, preisgekrönter Kaffee und ein drittklassiger Kaffee. Die Bauern überzeugte der preisgekrönte Kaffee nicht, sie fanden den anderen besser. Mit diesem Kaffee sind sie aufgewachsen, sagt Fandiño: „Wir konsumieren in Nicaragua den Müll der Exportproduktion.“