Der Unterschied zwischen den verschiedenen Mennoniten in Belize ist die Kirche, der sie angehören. Es gibt viele Unterschiede zwischen den Kirchen: Manche legen Wert auf Äußerlichkeiten, wie die in Barton Creek oder Shipyard. Es ist genau festgelegt, welche Kleidung erlaubt ist, dass Frauen ihre Haare nicht schneiden dürfen und Männer ihren Bart wachsen lassen müssen.
Sogar innerhalb der einzelnen Kolonien gibt es unterschiedliche Kirchen. In Blue Creek gibt es neben den modernen Kirchen auch die Kleine Gemeinde, eine traditionelle Kirche. Sie wurde im 18. Jahrhundert in Russland von Klaas Reimer gegründet, dem die mennonitische Kirche vor Ort zu weltlich und unmoralisch war. Er verurteilte beispielsweise die Abgaben an die russische Regierung während der Napoleonischen Kriege.
Der Gottesdienst der Kleinen Gemeinde unterscheidet sich von der Gemeinde in Blumenthal, die ich bisher kennengelernt habe zum Beispiel beim Gottesdienst. In Blumenthal benutzen sie eine Orgel und Gitarren in der Kirche, bei der Kleinen Gemeinde ist das verpöhnt. „Viele Leute finden, dass die Instrumente vom Gesang ablenken mit dem wir Gott preisen“, erklärt mir Lies, Abes Cousine, die der Kleinen Gemeinde angehört. Sie selbst hat aberkein Problem mit Musik in der Kirche. Auch Hochzeiten sehen anders aus. Die in Blumenthal ähneln amerikanischen Hochzeiten, wie wir sie aus Filmen kennen: Große weiße Kleider, Brautjungfern, Blumenkinder. In der Kleinen Gemeinde steht das Brautpaar allein vor dem Altar. Die Frau trägt ein Kleid in einem hellen Pastelton im traditionellem Schnitt. Die Kleider sind hochgeschlossen, reichen fast bis zum Knöchel und bedecken die Oberarme komplett.
Ich verbringe einige Tage mit Abes Cousine Lies und ihrer Familie. Die Familie lebt nicht weit entfernt von Abes Haus, doch sie leben sehr anders: Lies und ihre Töchter tragen die traditionellen Blumenkleider. Der Bibel folgend schneiden sie ihre Haaren nicht und tragen kleine Kopftücher, denn im Brief an die Korinther steht: „Ein Weib aber, das da betet oder weißsagt mit unbedecktem Haupt, die schändet ihr Haupt; denn es ist ebensoviel, als wäre sie geschoren.“ Für Lies beinhaltet es das Gebot, ihr Kopftuch den ganzen Tag über zu tragen.
Die Frauen der Kleinen Gemeind sehen also so aus wie die traditionellen Mennoniten in Shipyard, die ich bisher nur auf dem Weg nach Blue Creek gesehen habe. Sie lehnen allerdings Technik nicht ab. Lies fährt einen Pickup-Truck, ihr Haus hat Elektrizität, sie hat eine Waschmaschine und benutzt ein Telefon.
Ihr Mann George betreibt ein Sägewerk, sie kümmert sich um den Haushalt und die Kinder. Die Beiden haben zudem eine Hühnerfarm auf ihrem Hof. Meist kümmert sich Lies um die Hühner und die Milchkühe, ihr Mann ist noch für die Rinderherde zuständig, die schlachtreif verkauft werden.
Ich fahre nach dem Frühstück bei Abe zu Lies. Sie und ihre älteste Tochter Virginia machen Käse. Die erste halbe Stunde verbringe ich damit, kiloweise Käse zu reiben und mich mit den Beiden zu unterhalten. Lies ist wie alle Mennoniten, die ich bisher getroffen habe, sehr an Deutschland interessiert. Sie will wissen wie wir leben, wie Familien in Deutschland aussehen und wann man so traditionell heiratet. Ziemlich schnell kommt sie auf Sex zu sprechen. Ob unverheiratete Paare in Deutschland denn vor der Ehe Sex hätten, will sie wissen. Es überrascht mich, dass sie über Sex reden will. Als ich ihr sage, dass es üblich ist auch unverheiratet Sex zu haben, schüttelt sie mit dem Kopf. Die Eltern in Deutschland sollten das verhindern, findet sie. „Die Bibel sagt klar, dass Sex eine Sache zwischen Ehefrau und Ehemann ist.“ Sie selbst hat mit knapp 22 geheiratet. Ihren Ehemann lernte sie in der Gemeinde kennen. Eines Abends saßen sie nach einem Spieleabend beeinander, während die anderen Jugendlichen schon gegangen waren und redeten miteinander. Am nächsten Tag ging George zu ihren Eltern und fragte, ob er ihre Tochter daten dürfe. Er erhielt die Erlaubnis unter Auflagen: Sie durften sich einen Sonntag im Monat sehen und Lies Eltern schärften ihr ein, dass er sie nur an der Hand berühren durfte. Nach zweieinhalb Jahren heirateten die Beiden und haben jetzt vier Kinder: Virginia, Jaden, John und Gladys. George und Lies selbst stammen aus sehr großen Familien. Lies hat 12 Geschwister, George sogar 16. „In Shipyard haben die Leute immer noch große Familien, 15 Kinder sind keine Seltenheit. Hier hat sich das geändert“, sagt George. Denn viele Leute in der Kleinen Gemeinde denken progressiver. „Wenn ich nicht die Mittel habe, 15 Kinder zu kleiden, füttern und großzuziehen, habe ich keine 15 Kinder“, findet Lies. „Es ist nicht Gottes Wille keine Kinder zu haben. Wenn man für sie sorgen kann, sollte man sie auch haben.“
Viele Ehepaare verhüten mit Pille und Kondom, einige Männer hatten eine Vasektomie. „Im Endeffekt ist es eine persönliche Entscheidung, eine die man selbst mit Gott zusammen trifft“, sagt Lies.