Architektur an der Polytech

Die Studenten sind in ihre Arbeit vertieft. Sie sitzen an Werkbänken in einer großen Halle. Alle haben vor sich kopfgroße, abstrakte Ton-Modelle stehen. Charakteristisch sind die recht­eckigen Formen. Die Hochschüler müssen dieselben Figuren noch einmal mit Holzstäbchen nachbauen. Daneben ist das erste abgeschlossene Projekt der Erstsemester-Studenten zu bestaunen: kleine abstrakte Konstruktionen aus Bambusstangen. Die besten Werke wurden in überdimen­sionaler Größe nachgebaut und stehen jetzt auf dem Hof der Polytech, der nami­bischen Fachhochschule.

Die Studenten mit einer der Bambus-Konstruktionen

Im hinteren Teil der Halle sind die aktuellen Modelle des ersten Jahrgangs der Architekturausbildung in Namibia ausgestellt. Die Studenten Charlene und Ewald zeigen mir ihre Skizzen, die sie mit modernen Grafikprogrammen entworfen haben und ihre dazugehörigen Modelle aus Pappe und Holz. In drei Wochen hätten sie ein modernes, behindertengerechtes Haus mit Arztpraxis kreieren müssen. Ewald und Charlene wollen beide als Architekten in Namibia arbeiten. Charlene möchte nach dem vierjährigen Studium noch einen Master im Ausland absolvieren. Denn dieser Abschluss wird in Namibia noch nicht angeboten, weil das Architekturstudium erst ausgebaut werden muss.

Einer, der dabei kräftig mithilft, ist Phillip Lühl. Der 28-jährige Deutsch-Namibier ist hier geboren, hat in den Niederlanden Architektur studiert und dort eine Zeit lang gearbeitet. Jetzt ist er Junior-Dozent an der Polytech. Die neue Aufgabe lockte ihn schneller als gedacht wieder in sein Heimatland zurück: „Ich finde es unglaublich spannend, hier mitzuarbeiten, gerade weil sich noch alles im Aufbau befindet.“ Der Beginn des Studiums vor einem Jahr sei für den ersten Jahrgang noch ein wenig chaotisch gewesen. Jetzt liefe schon alles viel routinierter ab.

 

Die Studenten mit Dozent Phillip Lühl (v.l) und Professor Sigurd Scheuermann (Mitte)

Die neuen Erstsemester-Studenten werden gerade von einem deutschen Professor unterrichtet. Sigurd Scheuermann von der Aachener Fachhochschule ist begeistert von den jungen Namibiern. Sie seien engagiert, der Leistungsstand sei genauso gut wie in Deutschland. Er begründet das mit dem strengen Bewerbungs­verfahren Anfang des Jahres. Wer die Prüfungen nicht erfolgreich abgeschlossen hatte, wurde erst gar nicht zum Studium zugelassen. Eine, die es geschafft hat, ist Tejiri. Die 17-Jährige arbeitet konzentriert an einem Holzmodell. Dabei schaut sie immer wieder auf die Variante aus Ton. Ihr gefällt dieses Projekt sehr. Sie mag es, Skulpturen zu entwerfen. Professor Sigurd Scheuermann schaut den Studenten immer wieder über die Schulter. Er ist sehr enthusiastisch und hat ein ganz konkretes Ziel: „Die Studenten sollen einmal Designer mit dem Gefühl und dem Wissen von Ingenieuren werden.“ Sie sollen nicht nur die Zeichnungen entwerfen, sondern den gesamten Gestaltungsprozess eines Hausbaus vor Ort betreuen. Die Chancen sehen gut aus für die Studenten, die Architektenkammer sucht Nachwuchs. Es herrscht Fachkräftemangel. Außerdem ist es schwierig für qualifizierte Ausländer, eine Arbeitserlaubnis für Namibia zu bekommen. Für sechs der dreizehn Studenten des ersten Jahrgangs geht es dieses Jahr für ein Semester an die Aachener Fachhochschule. Charlene und Ewald hoffen beide sehr, dass sie dabei sein werden.

Studentin Tejiri mit einem Tonmodell