Entwicklungshilfe wie sie sein sollte

Eric de Vaan wollte 2 Monate an einem AIDS – Präventionsprojekt in Kumasi, der zweitgrößten Stadt in Ghana teilnehmen. Er und 7 andere sollten an Schulen über die Gefahren von ungeschütztem Geschlechtsverkehr informieren. Für sein Engagement zahlte er 200 Euro, dafür sollte er ein Dach über dem Kopf erhalten.

„Wir hatten in Kumasi nur 6 unbezogene Matratzen in einem Flur für uns, es gab kein Büro, kein Telefon und keinen Ansprechpartner vor Ort“, berichtet der Freiwillige Eric de Vaan aus den Niederlanden. Nach 3 Tagen rief er die Projektmanagerin von AIESEC ( Assocoation Internationales des Estudiants en Sciences Economiques et Comerciales) in Kumasi an. Die teilte ihm mit, dass Projekt stehe gerade in den Startlöchern, er solle doch schon einmal Fundraising betreiben. Auf die Frage wie das ohne Büro, Computer, Telefon und Internet gehen solle, antwortete sie nur lapidar, das sei schon immer so. Andere Freiwillige verkauften Fruchtsäfte auf der Straße, um Geld herein zu bekommen, der 23-jährige Student aus Delft entschied sich dagegen, und verließ das Projekt. Betrand Baazeng, der Landesdirektor von AIESEC gab am Telefon zwar zu, dass im Augenblick nicht in Schulen unterrichtet wird, betonte aber, dass die Freiwilligen Fortbildungskurse abhalten würden, und auch ein eigenes Buero vor Ort existiere, wo Fundraising betrieben wird. Solche Fälle mögen Einzelfälle sein, es geht jedoch auch anders.

Jörn Preuß leitet seit 4 Jahren die Entwicklungshilfeorganisation AIM (Africa Information Movement) mit wachsendem Erfolg. Zusammen mit seinen ghanaischen Partnern Solomon Appiah und Papa Kodwo Mbir stößt er seit 4 Jahren verschiedene Projekte in dem Kleinstadt Komenda an der Küste an. „Die erste Zeit war nicht einfach, die ersten 2 Jahre waren wir vor allem damit beschäftigt das Vertrauen der Leute hier zu gewinnen.“ Das Erste was der Kulturmanager lernen musste war, dass in Ghana die Uhren anders ticken. Bevor etwas entschieden wird, muss erst einmal ausgiebig darüber beraten werden, und ohne die Einverständnis des Bürgermeisters – des chiefs – geht nichts.

Auch Beziehungen sind streng geregelt. Direkt nach seiner Ankunft verliebte sich Jörn Preuß, doch er wusste nicht, wie er Freda kennen lernen sollte. „So Sachen, die man in Deutschland vielleicht machen würde, sie zum Essen einladen, einen Ausflug oder ein Kinobesuch, dass ist hier nicht drin, das hätte sie auf jeden Fall abgelehnt,“ erinnert sich der Kulturmanager an seine Annäherungsprobleme,“hier kann man auch nichts ausprobieren, es ein oder zwei Jahre versuchen oder so, hier muss man direkt heiraten.“ Kurzentschlossen hielt der damals 24-jährige bei Fredas Vater um ihre Hand an. Der Vorsitzende des Vereins Papa Kodwo Mbir unterstützte ihn dabei, und führte ihn in die Familie ein. Inzwischen sind die 3 Jahre verheiratet und haben ein Kind.

Das Hilfsprojekt entwickelte sich dahingegen zunächst langsam. Erst als im Sommer 2008 Jahren der Deutsche Botschafter in das Dorf kam, und zusammen mit AIM einen neuen Wassertank in der 12 000 Einwohner großen Stadt einweihte, verschwand das Misstrauen. „Dieses Projekt war der Durchbruch, danach wussten die Leute, dass wir wirklich etwas für sie erreichen wollen. Es gibt hier viele Organisationen, die ihren Hauptzweck darin sehen, ihren Mitarbeitern möglichst hohe Gehälter zu zahlen. Viele Ghanaer haben schlechte Erfahrungen gemacht.“ Er selbst ist der einzige Mitarbeiter von AIM, der ein Gehalt bezieht. Je nach Anzahl der Freiwilligen verdient er 600 bis 800 Euro im Monat. In den letzten 4 Jahren hat Jörn Preuß zusammen mit dem Journalisten und Lehrer Solomon Apia viel erreicht. Inzwischen betreut er 6 Freiwillige aus Deutschland, die für ein Jahr oder länger vor Ort eigene Projekte verwirklichen. Ihr Ziel ist es, vor allem die Jugendlichen zu fördern, um Ihnen andere Perspektiven aufzuzeigen, weg von einem Leben als Fischer, Bauer oder Straßenverkäufer.

Die Musikerin Milena Minuth hat gemeinsam mit Jugendlichen aus dem Dorf die CD „African Kiss“ aufgenommen, die in Deutschland verkauft wird, die Erlöse fließen in das Projekt. „Wir können die Jugendlichen vor allem über Musik erreichen, wenn ich einmal eine Tanzgruppe oder einen Chor zusammenhabe, können wir mit den Jugendlichen auch Computerkurse machen.“ Die 21-jährige ist Inzwischen 14 Monate in Ghana, sie will noch 6 Monate bleiben.

Adrian Schossig (20) ist erst seit 4 Monaten in Komenda, doch in dieser kurzen Zeit hat er es geschafft, ein Internetcafé aufzubauen. Mit gespendeten Computern aus Deutschland und Spendengeldern für eine Satellitenschüssel . Das größte Problem war die Satellitenverbindung. „Der Techniker konnte einfach das Signal nicht finden, nach einem Tag hatten wir es fast aufgegeben. Wir hatten die Schüssel immer neu ausgerichtet, irgendwann fiel uns auf, dass eine große Palme im Weg stand. Wir haben sie etwas gestutzt, dann ging’s.“ Wenn die Kosten für die Installation eingespielt sind, soll sich das Cafe selbst tragen.

Die Jugendlichen, und jungen Erwachsenen, die bei den Projekten mit machen, sind begeistert von den neuen Möglichkeiten, doch aufgrund der hohen Armut im Dorf ist es schwierig, alle Jugendlichen zu erreichen. Der 20-jährige Francis Aidoo ist schon seit 4 Jahren bei allen Projekten dabei, doch viele seiner Freunde dürfen nicht – Ihre Eltern verbieten es ihnen. „Die Eltern wollen, dass ihre Kinder im Haushalt oder auf dem Feld helfen, oder eigenes Geld verdienen.“ „Viele Kinder leben bei ihren Großeltern, die Eltern sind in Accra oder im Ausland um Geld zu verdienen. Sie sind auf jeden Cedi angewiesen, und können es sich nicht leisten, die Kinder zu AIM zu schicken, „fügt die 18-jährige Martha Mensah hinzu. Deswegen kommt die Hilfe von AIM vor allem bei den gebildeteren Jugendlichen und bei denen aus reicheren Familien an. „Wir fördern im Prinzip die, die schon etwas mit bringen“, gibt Jörn Preuss zu, „aber das sind aus die, die später selbst Projekte oder Firmen aufbauen.“ Die Verantwortlichen von AIM arbeiten inzwischen mit 32 Jugendlichen zusammen, 22 davon sind ständig aktiv.

Preuß und Solomon Apia mischen sich auch in die Lokalpolitik ein, und versuchen, bei so ganz alltäglichen Problemen wie dreckigen öffentlichen Toiletten zu einer Lösung beizutragen. Ein großes Problem ist dabei die allgegenwärtige Korruption. „Es gibt hier im Dorf z.B. 7 öffentliche Toiletten, die aber niemand benutzt. Niemand macht sie sauber, weil das Geld nicht ausreicht, um jemanden dafür zu bezahlen. Die Klärgruben sind ständig voll, und wenn die Dorfversammlung einen Tankwagen anfordert, um sie zu leeren, ist erst einmal ein Schmiergeld fällig, dass er überhaupt kommt.“ Das Resultat der unbenutzbaren Toiletten ist ein mit Exkrementen bedeckter Strand und andauernde Cholerafälle. Mit dem sauberen Trinkwasser aus und Strandsäuberungskampagnen hofft Jörn Preuss ein Bewusstsein für sauberes Trinkwasser zu schaffen. Die letzte Choleraerkrankung im Dorf war im Dezember 2007, ob die Besserung mit dem sauberen Trinkwasser und den Kampagnen zusammenhängt weiß der 28-jährige Kulturmanager aber nicht.

Für die Zukunft plant er eine Weiterbildungsstätte. Hier sollen die Jugendlichen lernen, mit dem Computer umzugehen, eigene Zeitungen aufzubauen, oder eigene Tourismusprojekte umzusetzen. Die Räume sind gerade im Bau, doch es geht langsam voran. Jörn Preuß hat sich nach 4 Jahren in Ghana daran gewöhnt. „Wir bauen genauso wie die Ghanaer, sobald wir wieder Geld haben, geht es weiter, wenn wir in Deutschland wieder mehr Spenden gesammelt haben, können wir das Weiterbildungszentrum hoffentlich abschließen.“ Wenn es nach ihm geht, soll AIM in Zukunft auch in den umliegenden Dörfern aktiv werden, und weiter wachsen