Maria Elizabeth Patriota ist eine schlanke Frau mit mittellangem Haar. Sie wirkt müde und spricht leise. Die letzte Nacht steckt ihr noch in den Knochen. Maria ist Polizeikommissarin und Leiterin der Anti-Drogen-Abteilung in Recife, dem Departamento de Repressão ao Narcotráfico (DENARC). Bis in die frühen Morgenstunden koordinierte sie noch den Einsatz der Operação Neblina – die Operation Nebel. Es war die zwölfte und letzte Razzia der Anti-Drogen-Operation, durchgeführt von der Polícia Civil und der Polícia Militar. Nun sitzt sie in der Pressekonferenz und erläutert den anwesenden Journalisten das Vorgehen der letzten Nacht.
Die Operação Neblina ist Teil des Programmes Pacto Pela Vida (Bündnis für das Leben), das 2007 von der pernambucanischen Landesregierung ins Leben gerufen wurde. Im Mittelpunkt des Programms steht die Bekämpfung und Reduzierung der Gewalt in Pernambuco, einem Bundesland das lange Zeit zu den gewalttätigsten Brasiliens gehörte. Die Regierung entwickelte unterschiedliche Sozialprogramme, investierte in die Präventionsarbeit, gründete neue Projekte für die öffentliche Sicherheit und begann Verbrechen schärfer zu verfolgen. Glaubt man den veröffentlichten Statistiken und Zahlen der letzten Jahre, dann ist es Pernambuco gelungen die Gewaltverbrechen, allen voran die vielen Morde, zu reduzieren. Mitverantwortlich für die positive Entwicklung sei dabei auch das härtere Durchgreifen der Polizei und eben Aktionen im Anti-Drogenkampf, wie die Operação Neblina.
In den frühen Morgenstunden des ersten Augusts bezogen die Einheiten der Policia Civil und der Policia Militar zeitgleich ihre Positionen in den Vierteln Casa Amarela, Cordeiro und Ibura. Der Zugriff erfolgte noch vor Sonnenaufgang. Im Laufe der Razzia wurden 22 Männer und 29 Frauen verhaftet, niemand wurde ernsthaft verletzt. „Die meisten der verhafteten Frauen hatten eine Liebesbeziehung zu einem der Bandenmitgliedern. Fast alle agierten im administrativen Bereich und kümmerten sich um die Finanzen der Drogengeschäfte“, so Maria Patriota. Die Polizei beschlagnahmte sieben Handfeuerwaffen, 3.656 R$, mehrere Autos und Motorräder. 3kg Kokain und 4kg Crack wurden von den Beamten sichergestellt. Den Beschuldigten – der Jüngste ist 19, die Älteste 61 Jahre alt – drohen nun Haftstrafen wegen Drogenhandel und der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Maria Patriota, die Leiterin des DENARC zeigt sich zufrieden: „Anfangs haben wir damit gerechnet etwa zwanzig Mitglieder der Drogenringe zu verhaften. Im Laufe der Ermittlungen haben wir festgestellt, dass viel mehr Leute in den Fall verwickelt sind.“
Über ein Jahr observierte der DENARC vier Drogenringe in Recife. Branco (30), Mago Dó (30), Aleijado (30) und Gil (33) waren die Köpfe der Banden, die auch untereinander Drogengeschäfte abwickelten. Gemeinsam koordinierten sie die Drogenlieferungen die größtenteils aus Kolumbien, Bolivien und den brasilianischen Bundesstaaten Rondônia, São Paulo, Rio Grande do Norte und Ceará nach Pernambuco kommen. Dabei waren alle vier bereits seit der Operation Everest, dem Vorgänger der Operação Neblina, inhaftiert. Dennoch war es für sie kein Problem ihre Geschäfte aus dem Gefängnis Aníbal Bruno, im Viertel Sancho, im Westen Recifes, ihre illegalen Geschäfte weiterzuführen. „Unsere Strategie war es von vornherein die Inhaftierten zu observieren, um so an weitere Hintermänner zu gelangen, was uns schließlich gelungen ist,“ erläutert Maria Patriota die Vorgehensweise.
Ob man solchen Aussagen Glauben schenken darf sei dahingestellt. Es ist nach wie vor kein Problem für brasilianische Häftlinge sich im Gefängnis ein Handy zu besorgen. Mitverantwortlich sind dabei die Wärter und Polizeibeamten, die schon mal ein Auge zudrücken, wenn sie entsprechend dafür entlohnt werden. Die Korruption ist in Brasilien nicht unbedingt stärker als in anderen Ländern, aber doch viel offensichtlicher. Fast jeder kokettiert damit schon einmal einem Polizeibeamten, zumindest bei einer Verkehrskontrolle etwas zugesteckt zu haben, und damit einer weitaus teureren Strafe entgangen zu sein. Und fast jeder Brasilianer beschwert sich zugleich über korrupte Polizisten; ganz zu schweigen von korrupten Politikern und Wirtschaftsbossen.
Im Fall der Operação Neblina verlief jedoch offiziell alles nach einem ausgeklügelten Plan. 114 Polizisten waren an der Aktion beteiligt, insgesamt wurden über das ganze Jahr verteilt etwa 1,2 Millionen Cracksteine, mit einem Straßenverkaufswert von über 10 Millionen Reais, sichergestellt. „Durch die Zerschlagung der Drogenringe konnten wir den Umlauf von Crack im Großraum Recife maßgeblich reduzieren. Das ist heute unsere Hauptstrategie um die vielen Gewalttaten in Pernambuco einzudämmen,“ so die Einsatzleiterin Maria Patriota. Bis 2014 soll die Stadt sicherer sein. Während der Fußballweltmeisterschaft in zwei Jahren werden auch Spiele in Recife ausgetragen. 1,6 Milliarden Reais beträgt der aktuelle Etat für den neuen Stadionbau, sowie die Infrastruktur- und Sicherheitsmaßnahmen.