Es ist kurz vor halb vier Uhr am Nachmittag: Ich sitze im Schatten eines kleinen Baumes auf einer Bank, trinke ein Ginger Ale und warte auf Mama Toni. Sie betreibt einen Kiosk gleich an der Hauptstraße unweit von dem gehobenen, rund um die Uhr überwachten Wohngebiet Loresho in dem ich bei Rita untergekommen bin. Genau an der Ecke, dort wo ein Weg abzweigt nach Kangemi, einem der ärmeren Viertel von Nairobi, haben sich rund ein Dutzend dieser aus Holz und Wellblech zusammengezitterten kleinen Hütten angesammelt. Zu kaufen gibt es fast alles: Obst und Gemüse, Getränke, Zeitungen und kleine Snacks sowieso aber auch Hygieneartikel, Telefonkarten oder Sekundenkleber.
Bei Mama Toni brummt gerade das Geschäft. Die meisten Kunden nutzen ihren Mpesa-Service, das Handy-Banksystem vom afrikanischen Mobilfunkriesen Safaricom, mit dem kleinere Beträge per sms auf den Handy-Account überwiesen und an den zahlreichen Mpesa-Stationen unkompliziert ein- oder ausbezahlt werden können. Eine technologische Errungenschaft, die vielen Frauen das Leben erleichtert. Als das MPesa-System (M für mobil und Pesa ist die Suaheli-Bezeichnung für Bargeld) 2008 eingeführt wurde, waren knapp 40% der Kunden weiblich, mittlerweile machen die Frauen deutlich mehr als die Hälfte aus. MPesa macht sie unabhängiger von ihren Männern, die früher das Bargeld, das die Frauen aus ihren kleinen Geschäften nach Hause brachten, gern prompt in Alkohol investiert haben.
Und Unternehmerinnen wie Mama Toni, profitieren gleich doppelt: Wer als „Bankerin“ für MPesa arbeitet, bekommt eine Kommission von Safaricom, zudem lockt MPesa mehr Kunden ins Geschäft. „Seit ich vor drei Jahren mit MPesa angefangen hab, hat sich so viel verbessert“, erzählt Mama Toni mir, als sie gerade eine kleine Ruhepause hat. „Mit dem Extrageld, das ich als Kommission verdiene, kann ich jeden Monat meine Kreditraten bezahlen. Keiner der mehr ankommt und sagt `Mama Toni du schuldest mir Geld´. Nein, das kann ich jetzt verhindern.“
Mama Toni ist 51 Jahre alt und arbeitet seit über 30 Jahren hier. Jeden Tag. Von 6 Uhr morgens bis manchmal 22:00 Uhr am Abend. Nur sonntags gönnt sie sich längere Pausen, um ausgiebig zu beten und den katholischen Gottesdienst zu besuchen. Rund 40 Kilometer außerhalb von Nairobi hat sie sich mithilfe ihres Kiosks ein kleines Häuschen aufgebaut, in dem jetzt die Tochter mit ihren Kindern wohnt. Sie selbst hat eine Unterkunft in Kangemi gemietet. Oft schläft sie aber einfach hier in ihrer kleinen Bude. Auch, um ihre Waren zu schützen. Denn elf Mal schon wurde ihr Kiosk in den letzten Jahren plattgemacht. Irgendjemand kam und behauptete, das Land gehöre ihm. Jedes Mal hat Mama Toni wieder von vorne angefangen, hat ihre Waren so lange vom Boden verkauft, bis eine neue Bude aufgebaut war. „Das Leben muss weiter gehen so oder so. Warum sollte ich aufgeben? Wenn ich aufgebe, wie soll ich dann meinen Lebensunterhalt verdienen?“
Seit vierzehn Jahren lebt Mama Toni ohne ihren Ex-Mann. Die fünf Kinder hat sie größtenteils alleine durchgebracht. Jetzt finanziert sie mit ihrem Kiosk auch die Ausbildung ihrer zehn Enkelkinder. Ohne Mann lebt es sich sehr viel besser, sagt sie. „Weißt Du, hier in Kenia gibt es so viele alleinerziehende Mütter. Sie heiraten und dann kommen die Probleme. Du verdienst einen Shilling, der Mann nimmt das Geld und geht davon trinken. Und wenn du dann noch viele Kinder hast, verlassen sie dich irgendwann. Klar, kleine Kinder sind teuer. Meiner zum Beispiel, der ist gegangen, als Toni und seine jüngste Schwester noch klein waren. Da blieb für ihn kein Geld übrig, also ist er abgehauen. Und jetzt wo ich mit den Kindern durch bin, kommt er plötzlich wieder an. SORRY, keine Chance.“ Mama Toni will weder ihren Ehemann zurück haben, noch sich mit einem der anderen Männer einlassen, die versuchen sie als Freundin zu gewinnen. „Wenn kenianische Männer sehen, dass Du hart arbeitest, wollen sie plötzlich mit Dir befreundet sein, weil sie wissen dass Du ein bisschen Geld hast und keines von ihnen verlangst. Das kommt für mich nicht in Frage. Wenn Du dich auf einen Mann verlässt, stirbst Du früher oder später. Und zwar eher früher als später.“
Früher sah sie das noch anders: Als Teenagerin verließ Mama Toni die Schule noch vor dem Abschluss, um zu heiraten: Ich wollte unbedingt einen Ehemann, um mich mit ihm im Haus geborgen zu fühlen, aber…“, Mama Toni fängt an zu lachen, „… Puhh was für ein Trugschluss!“