Auf der Heckscheibe unseres klapprigen R4-Taxis prangt ein weiß-blauer Aufkleber mit den Worten „Bayerisches Bier“. Drinnen riecht es allerdings eher nach Benzin. Wir schrauben uns über Kopfsteinpflaster-Straßen hinauf zur Uni von Tana. Im Bereich Ankatso parken wir vor einer Steinmauer mit einem Schild. „Vahatra“ steht darauf. „Vahatra“ bedeutet „Graswurzeln“ auf Madagassisch. Es ist der Name einer 2007 ins Leben gerufenen Naturschutz-Organisation. Deren Mitgründer ist Steve Goodman, ein US-amerikanischer Biologe, der am Chicago Field Museum eine Anstellung hat, allerdings seit Jahrzehnten in Madagaskar lebt und arbeitet. Goodman hat das Mammutwerk „The Natural History of Madagascar“ herausgegeben und bereits zu einem Großteil der Insel-Fauna wissenschaftliche Studien durchgeführt. Mehrere Arten hat er sogar neu beschrieben. Er ist einer der bekanntesten Naturschützer der Insel.
Das Logo der Umweltschutz-Organisation „Vahatra“ – „Graswurzeln“ auf Madagassisch (Foto: Ernst Golde).
Goodman – Brille, Vollbart und langes Haar – empfängt uns barfuß. In seinem Büro stapeln sich Bücher, auf dem Computerbildschirm flimmert das Manuskript eines Forschungsartikels über Flughunde, auf der Schreibtischplatte liegt eine Schlangenhaut. Goodmans wissenschaftliche Schwerpunkte liegen in den Bereichen Evolution, Artbildung, Biogeografie und Ökologie. Die Naturschutzorganisation „Vahatra“ ist aus dem WWF-Projekt „The Ecology Training Program“ (ETP) hervorgegangen, das Goodman mit gegründet hat. Dessen Ziel (und das von „Vahatra“): Eine genaue Bestandsaufnahme der madagassischen Tierwelt, auch in den abgelegensten Winkeln und vor allem: die Ausbildung junger Madagassen in Wissenschaft und Naturschutz. Damit soll in der Gesellschaft der Grundstein gelegt werden für gut ausgebildete und verantwortungsbewusste Personen, die künftig in gesellschaftliche und politische Schaltstellen nachrücken.
Steve Goodman, Biologe am Chicago Field Museum und seit 30 Jahren Naturschützer in Madagaskar (Foto: Ernst Golde).
Goodman blickt als Naturschützer auf 30 Jahre und vier (fünf, sofern man Rajoelina mitzählt) Präsidenten in Madagaskar zurück. Die Erfahrungen unter Didier Ratsiraka und Albert Zafy seien ernüchternd gewesen. „Naturschutz wurde in dieser Zeit vor allem als Instrument benutzt, um Gelder aus dem Ausland zu bekommen“, sagt Goodman. Aufbruchstimmung kommt 2002 auf, mit der Machtübernahme durch Marc Ravalomanana. Auf dem 5. World Parks Congress im südafrikanischen Durban äußert er die Absicht, die Schutzgebiete des Landes bis 2008 zu verdreifachen – auf etwa 10 Prozent der Fläche Madagaskars. Und der Plan wird umgesetzt. Mit den Jahren allerdings ändert Ravalomanana seine Prioritäten, die wirtschaftliche Lage spitzt sich zu. Schließlich putscht Andry Rajoelina, von vielen Regierungen wird er nicht anerkannt. Internationale Gelder werden eingefroren, gesellschaftliches Chaos macht sich breit, das auch vor den Naturschutzgebieten nicht Halt macht. Die Wilderei nimmt zu, der Rosenholzhandel wird zum großen, internationalen Geschäft. Auch die neue Regierung unter dem Präsidenten Hery Rajaonarimampianina habe sich noch nicht klar zum Thema Naturschutz positioniert oder Richtlinien veröffentlicht.
So bleiben für Goodman drei große Bedrohungen für die madagassische Tierwelt: Jagd, Feuer und Entwaldung. Um die Lage des Naturschutzes auf der Insel zu beschreiben, greift er zurück auf ein Buchzitat: „Die Zukunft ist unsicher, und Madagaskar ist nicht der Ort für Unbeschwerte.“ Resignation verbietet sich Goodman allerdings. „Vahatra“ schaffe auf lange Sicht ein verändertes gesellschaftliches Bewusstsein, verantwortungsvoller Ökotourismus in eine Vielzahl kleiner Reservate könnte auch Geld in arme abgelegene Dörfer spülen. Und manchmal nützt auch der Glaube: In vielen Waldgebieten gibt es Grabstätten, dort ist es „fady“ (tabu) zu jagen oder Holz zu schlagen. So helfen die Toten, das Leben zu erhalten.