Um kurz nach acht Uhr morgens steht mein Fahrer vor der Tür. Ich habe mir heute den Luxus eines privaten Autos geleistet, denn drei unterschiedliche Orte im Umkreis von 50 Kilometern mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu besuchen und dann noch mit meinen jeweiligen Interviewpartnern den Transport zu den Phosphatminen organisiert zu bekommen, dass ist mir dann doch zu anspruchsvoll. So geht es extrem komfortabel in einem höchstens 15 Jahre alten Peugeot von Thiès über eine hervorragend asphaltierte Straße in Richtung Cherif Lo. Dort treffe ich Mamadou Ba, einen Aktivisten der örtlichen Zivilgesellschaft. Als dritter im Bunde stößt noch Amadou Tall zu uns. Wie viele andere Mitglieder der ethnischen Gruppe der Pheul lebt auch er von der Viehhaltung.
Zusammen fahren wir über einige Minuten über diverse Sandpisten durch die Landschaft, dann stehen wir vor einem großen Loch. Hier, so erzählt Amadou habe er früher seine Kühe getränkt. Dann aber habe eine Firma angefangen hier Phosphat abzubauen. Heute gibt es zwar am Boden des Tagebaus einen See, aber keinen Weg hinunter. Wer versuche dort sein Vieh zu tränken würde risikieren, dass sie auf dem Weg nach unten abstürzen, so Amadou. Für die Besitzer ist das eine wirtschaftliche Katastrophe, denn eine Kompensation wird in solchen Fällen weder durch den Staat nocht die Minengesellschaft gezahlt.
Auf dem Rückweg steigen wir in einem kleinen Dorf aus. Hier steht ein großer Wasserturm, gebaut von einer inzwischen nicht mehr aktiven Phosphat-Firma. Die sei gut gewesen, erzählt Mamadou, sie habe wenigstens ein wenig in die lokale Infrastruktur investiert. Die heute hier aktive Firma kümmere sich dagegen nicht um die Bedürfnisse der Anwohner und ein Gesetz was sie zu bestimmten Leistungen verpflichten würde, das gibt es nicht.
Dann führt mich Amadou noch zu einer Herde Rinder, die am Rande der Straße graßt. Eines der Tiere ist abgemagert, der Körper ist von einem häßlichen Ausschlag und Verschorfungen entstellt. Die Krankheit, die ich später auch noch an anderen Tieren sehe, werde durch den Phosphatabbau verursacht, so Amadou. Auch in solchen Fällen gebe es keinerlei Kompensation.
Ich bedanke mich bei Mamadou und Amadou und fahre weiter zum nächsten Treffen. Auf der Straße Richtung Mboro sammeln wir Bemba Fall Diouf auf, ebenfalls ein lokaler Aktivist. Wieder geht es ab auf die Sandstraße, diesmal in Richtung des Dorfes Darou.
Darou liegt in einer präkären Lage, von drei Seiten ist es inwzischen von Tagebauen umgeben. Hier lebt die Bevölkerung hauptsächlich vom Ackerbau, Hirse und andere Getreide für den Eigenbedarf, Erdnüsse für den Verkauf und dazwischen ein wenig Gemüse und Mangobäume.
Der Phophatbergbau, übersetzt mir Bemba die Aussagen der Dorfbewohner, mache ihnen Angst. Alle anderen Dörfer in der Umgebung hätten schon umgesiedelt werden müssen. Zwar hätten die Bewohner Entschädigungen gezahlt bekommen, aber nur für ihre Häuser und Bäume, die sie selbst gepflanzt hätten. Ihre Felder dagegen, dafür hätte niemand etwas bekommen, denn Grund und Boden gehört im Senegal dem Staat und nicht Privatpersonen.
Der Dorfvorsteher ist aufgebracht. „Von einem Feld kann man ewig leben und Landwirtschaft, das ist das was wir können.“ Mit der Entschädigung hätten die umgesiedelten Dorfbewohner zwar ein neues Haus bauen und vielleicht sogar ein kleines Geschäft aufmachen können. Viele seien trotzdem in die Armut abgeglitten, weil sie mit dem neuen Leben nicht zurecht gekommen seien.
Für die Bewohner von Darou stellen sich derweil ganz andere Probleme. Gerade hat eine Komission festgestellt, dass es in dem Dorf „kaum ein gesundes Kind“ gibt. Bemba und zwei Bauern führen mich auf die Felder, zeigen mir Mangobäume, deren Blätter verdorren und Erdnusssträucher, bei denen die Nüsse noch in der Erde verfaulen.
Die Dorfbewohner machen für all das Phosphorsäure verantwortlich, die hier in der Nähe direkt aus dem abgebauten Phosphor hergestellt wird. Immer wieder käme es dabei zu Unfällen und die Säure würde in starken Konzentrationen in die Umwelt entweichen.
Phosphorsäure ist der Ausgangsstoff für Phosphatdünger und damit die Grundlage der modernen industrialisierten Landwirtschaft. In geringen Konzentrationen wird sie auch in der Lebensmittelindustrie als Konservierungs- und Säuerungsmittel eingesetzt, zum Beispiel in Coca Cola. In Darou allerdings zerstört sie die Lebensgrundlage der Bewohner, die sich gegen die wirtschaftlichen Interessen von Staat und Unternehmen nur schwer wehren können.
Phosphat wird hier schon seit den 1950er Jahren abgebaut, aber positive Auswirkungen habe das bisher nur wenige gehabt, so die Bewohner von Darou. Nur drei junge Männer aus dem Dorf hätten in der Mine Arbeit gefunden, alle anderen würden genauso leben wie immer. „Die Frage ist doch, brauchen wir die Phosphatminen überhaupt?“ sagt einer der Bauern zum Abschied. Für ihn sei es viel logischer, sich auf die Landwirtschaft zu konzentrieren. Die Erde sei hier eigentlich fruchtbar und Gemüse aus der Region würde schon heute bis nach Mauretanien exportiert. Neben der Phosphatmine habe aber kürzlich auch ein Zirkon-Tagebau seine Arbeit aufgenommen. Da würde für Landwirtschaft bald kein Platz mehr sein, von dem Reichtum der Region hätten die Bauern aber noch nichts gesehen.
Ganz so einfach sei die Lage dann aber doch nicht, ist Abdoulaye Dieng überzeugt. Der Apotheker empfängt mich in Mboro in seinem kleinen Büro. Abdoulaye ist seit Jahrzehnten in der örtlichen Zivilgesellschaft aktiv und er bestätigt, dass es viele Probleme mit dem Bergbau gegeben hat und immer noch gibt. Andererseits könne Subsitenzlandwirtschaft ja auch nicht die Zukunft sein. Es müsse darum gehen, dass die Menschen durch den Bergbau neue Chancen auf Ausbildung und Jobs bekommen und hier habe sich gerade in den letzten Jahren viel getan. Wie viele Vertreter von NGOs und Zivilgesellschaft mit denen ich spreche, hebt er das mangelhafte staatliche Eingreifen hervor. Das Kompensationen und die Übernahme sozialer Verantwortung weitestgehend im Ermessen der Unternehmen liegen, daran sei nun mal das in diesem Bereich sehr unspezifische Minengesetz schuld.
Über eben dieses Minengesetz werde ich in den nächsten Tagen vermutlich noch viel sprechen, denn bald geht es für mich weiter ins Landesinnere, nach Tambacounda und Kédougou. Dort wird vor allem Gold abgebaut und dieses Geschäft hat in den letzten Jahren einen wahren Boom erlebt, dem der gesetzliche Rahmen kaum gewachsen war.