Wege aus der Wachstumsfalle

2050 werden doppelt so viele Menschen in Afrika leben. Konflikte können nur vermieden werden, wenn sich Volkswirtschaften breiter aufstellen und die Industrie fördern. Genau diesen Weg geht Äthiopien, lobt der ehemalige deutsche Bundespräsident Horst Köhler auf einer Konferenz

Horst Köhler sparte nie mit klaren Worten. Im Mai 2010 sollte ihm dies zum Verhängnis werden. Er saß im Flieger, am Ende einer Reise nach Afghanistan, als ihm in einem Interview folgenschwere Sätze über die Lippen gingen: Deutschland würde auch auf militärischem Wege seine wirtschaftlichen Interessen vertreten. Ob das nun stimmt oder nicht – ihm kosteten sie sein Bundespräsidentenamt.

Heute ist er freier denn je und so sind es abermals klare Worte, die er beim „Africa Investment Forum“ an die Zuhörer richtet. Die großen Wachstumsraten vieler afrikanischer Länder an sich seien bedeutungslos, weil die Einnahmen aus Rohstoffen in den Taschen korrupter Eliten verschwinden würde. „Oft ist das ein Wirtschaftswachstum, das keine Arbeitsplätze schafft“, warnt er. „Viele der Enthusiasten, die das Lied des aufstrebenden Afrikas singen, tappen in diese Falle“.

Horst Köhler verstand sich schon immer als Advokat Afrikas und Experte für Entwicklungspolitik. Themen, die ihn damals, als Geschäftsführer des Internationalen Währungsfonds und auch nach seinem Rücktritt beschäftigten und auch heute noch – als Berater, Schirmherr etlicher Stiftungen und Redner. So führt es ihn auch am 27. Oktober nicht zum ersten Mal in eine der Konferenzräume der Afrikanischen Union im äthiopischen Addis Abbeba.

Hier ein Zusammenschnitt von Horst Köhlers Rede:

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Mit Sorge würde er Afrikas Bevölkerungsstruktur beobachten. „Afrika hat die größte Jugendbevölkerung in der Geschichte der Menschheit“, sagt er. Fast die Hälfte der 1,1 Milliarden Menschen des Kontinents sind jünger als 25 Jahre alt. Die Bevölkerung könnte sich daher bis zum Jahr 2050 verdoppelt haben. Das Konfliktpotential sei immens, wenn diese Menschen nicht mit Jobs versorgt werden würden, fürchtet der ehemalige Präsident und deutet zugleich auf einen Ausweg hin: „Die breite Streuung der Wirtschaft und eine wachsende Wertschöpfung in Afrika, insbesondere durch Industrialisierung, industrielle Landwirtschaft und eine modernen Dienstleistungssektor“. Gelingt das nicht, würden auch die Europäer mit den Auswirkungen zu kämpfen haben, wie schon heute die Flüchtlingsströme zeigen würden.

Für das Gruppenfoto wurde der Preminierminister in der Mitte platziert

Für das Gruppenfoto wurde der Premiierminister in der Mitte platziert

Seine Ansprache ist eine Warnung an die Rohstoffriesen des Kontinents – und eine Ermunterung für Länder wie Äthiopien, den eingeschlagenen Entwicklungspfad weiterhin zu verfolgen. Neben Exporten von Kaffee und Schnittblumen unterstützt die Regierung zunehmend Banken, Telekommunikationsunternehmen und die wachsende Industrie – insbesondere das Textil- und Ledergewerbe. Denn: Äthiopien zählt fast 100 Millionen Einwohner, von denen fast zweit Drittel jünger als 25 Jahre alt sind. Für die braucht es heute und in Zukunft Jobs.

Genau darin würde jedoch auch eine der Chance liegen, wirbt der Premierminister Hailemariam Desalegn auf der Konferenz. „Unsere Wettbewerbsvorteil liegt in der Austattung mit Rohstoffen, einer Fülle an Arbeitskräften, die angelernt werden können und in billiger elektrischer Energie“. Das sind die gewohnt großen Worte, die die anwesenden Investoren umschmeicheln sollen. Doch es gibt Anzeichen, dass er es ernst meint: Staudämme für Wasserenergie, Landflächen, die an internationale Investoren zum Anbau von Baumwolle verkauft werden, Steuererleichterungen für ausländische Unternehmen und die neu errichtete Eisenbahnlinie zum Containerhafen im Nachbarland Dschibuti. Der Premierminister hat ein klares Ziel: „Wir wollen Teil der globalen Lieferketten werden“.