Ein Drittel aller Peruaner lebt in Lima. Und es kommen immer mehr Menschen in die Stadt. Viele von ihnen lassen sich an den weniger privilegierten Stadträndern an den Berghängen nieder, die die Stadt begrenzen. Diese sogenannten „pueblos nuevos“ schauen ich mir bei einem Ausflug an.
Je weiter wir mit dem Auto an den Stadtrand fahren, desto steiler wird der Weg. Hier beginnt die karge und triste Berglandschaft. Alles ist grau und erdig. Noch sind die Häuser schlicht, aber soweit ich das sehe noch recht stabil. Ein bisschen mulmig wird mir, als ich die ersten Turnschuhe an einer Stromleitung baumeln sehe. Hier bekämpfen sich rivalisierende Gangs. Den Opfern werden die Schuhe ausgezogen und als Symbol über die Stromleitungen gehängt. Im Laufe der Tour werde ich in den „pueblos nuevos“ noch viele baumelnde Turnschuhe sehen.
Es geht immer weiter hoch und langsam sehen die Häuser auch weniger massiv, provisorischer aus. Diese Hütten haben keinen – oder noch keinen – Anschluss an das Trinkwassernetz. Vor jeder Hütte stehen Wassertanks. Die meisten aus Plastik, einige aus Stein. Diese werden regelmäßig von Wassertankwagen aufgefüllt.
Es stinkt überall: Der Müll wird einfach die Hänge hinunter geworfen. Oft passiert das gleiche mit den Fäkalien. Denn auch einen Zugang zum Abwassernetz haben die Häuser hier oben nicht. Die reine Armut, die hier herrscht?
Auch, aber nicht nur. Denn hier oben wird kräftig „investiert“. Viele der Menschen, die sich hier oben eine Hütte hingesetzt haben, wohnen eigentlich weiter unten – in besseren Verhältnissen. Aber wer in Peru ein freies Stückchen Land besetzt und eine provisorische Hütte darauf baut, hat in rund fünf Jahren mit ein paar Behördengängen eine ganz gute Chance, dass ihm Land und Haus als Eigentum zugeschrieben werden. Eine Investition in die Zukunft also. Dass die Behörden die Landbesetzer nicht von dort oben verscheucht, dessen können sich die Betroffenen fast sicher sein. Im Gegenteil, bei dem schnellen Wachstum Limas stehen die Chancen gut, dass sich in Kürze noch viele weitere Menschen hier oben niederlassen und Politiker auf Stimmenfang für die nötige Infrastruktur sorgen. Nach fünf Jahren haben die Bewohner der Hütten ein Recht auf Zugang zum Wasser- und Abwassersystem. Dass es viele nicht eilig haben, mit der ganzen Familie schnell ein Dach über dem Kopf zu haben, ist auch an den vielen Rohbauten zu erkennen, an denen schon lange nicht mehr gearbeitet wurde.