„Kein Besuch!“ So freundlich die Frau an der Rezeption ist, so bestimmt macht sie klar, was hier nicht erwünscht ist. Hier, das ist ein Guesthouse in Malate, einem trubeligen Viertel von Manila. Das Haus aus den 30ern hat was von einer alten Missionsstation, über meinem Bett hängen Bilder von Jesus und Maria. Die Ansage macht mich stutzig. Ich bin erst seit einer guten Stunde in der Stadt, bisher habe ich nur ein paar Nettigkeiten mit dem Taxifahrer ausgetauscht, wer sollte mich also besuchen wollen? Was es damit auf sich hat, begreife ich erst später, nach meinem ersten Spaziergang entlang der Mabini Street.
Manila. Ein Moloch mit 15 Millionen Menschen, in der die Gegensätze so deutlich zutage treten wie in wenigen anderen Metropolen. Die Reichen spendieren ihren verstorbenen Angehörigen pompöse Mausoleen, so groß wie Zweifamilienhäuser. Die Ärmsten hausen auf der Straße, fünfköpfige Familien schlafen nachts dicht an dicht auf verdreckten Grünstreifen zwischen Schnellstraßen.
Ich bin keine 40 Meter gelaufen, vorbei an Imbissständen, Pferdekutschen und Nachtclubs, als mich eine Filipina anspricht. Kurzer Rock, hübsches Gesicht. I wanna be your friend! Es dämmert mir: Wer es darauf anlegt, kann in dieser Stadt, in diesem Viertel alles bekommen. Deshalb also die Ermahnung in meinem katholischen Guesthouse. Luxus und Prekariat, Tugend und Sünde. Sodom und Gomorrha?
Die Stadt hat in Europa einen schlechten Ruf. Stichwort Sextourismus. Die Filipinos sehen das entspannter. „Für Mädchen vom Lande ohne Schulbildung gibt es nur zwei Möglichkeiten, der Armut zu entkommen: Entweder sie gehen als Haushälterin nach Japan, Korea, Europa oder in die USA. Dort verdienen sie 50 000 Pesos im Monat statt 4000 wie auf den Philippinen“, erklärt mir Joxxy, eine reflektierte, fröhliche Frau in den 30ern, die es mit einem kleinen Restaurant an der Santa Monica Street zu bescheidenem Wohlstand gebracht hat. Und die zweite Möglichkeit? „Sie finden einen Ausländer, der sie heiratet und für sie sorgt.“ Die Filipinos finden das okay, sagt Joxxy. „Die Männer unterstützen nicht nur ihre Braut, sondern auch deren Familie daheim.“ So profitiere das ganze Land vom Liebesbedürfnis einsamer weißer Herren.
Angefangen hat das alles während der Zeit der amerikanischen Besatzung, als die USA das Asien-Archipel nach ihren Vorstellungen formten. Historiker sprechen von der Coca-Kolonisierung. In den Bars rund um die Mabini Street trafen sich nachts Soldaten und Verwaltungsbeamte, schnell gesellten sich philippinische Frauen dazu. Der Tresen als Kontaktbörse, kennt man so ähnlich auch auf St. Pauli. Einige Relikte aus jener Zeit haben das 20. Jahrhundert überdauert: Kinder mit blauen Augen und heller Haut. Und Bars mit Namen wie L.A. Cafe, in denen 24/7 getrunken und geflirtet wird.
Es ist nach Mitternacht, als ich von meinem ersten Spaziergang zurück ins Guesthouse komme. Müdigkeit, Jetlag. Ich falle ins Bett. Allein, Jesus und Maria können es bezeugen. Wer schläft, bleibt anständig.