Bali als Vorbild religiöser Toleranz

Im Gegensatz zum Rest von Indonesien sind Muslime auf der Insel der Götter in der Minderheit. Eine Ausnahme ist das Dorf Gel Gel im Osten Balis, das sich inmitten hinduistischer Nachbardörfer befindet. Hindus und Muslime begegnen sich hier mit größtem Respekt.

Muslimische Mädchen vor einem Hindu-Tempel in Gel Gel

Muslimische Mädchen vor einem Hindu-Tempel in Gel Gel

Nach Gel Gel führt nur eine kleine Straße von der Küste durch Reisfelder in Richtung des Vulkans Gunung Agung. Kleine Gassen durchziehen das Dorf, in dem es drei Tempel gibt, eine Moschee mit weißem Minarett und 350 Einwohner – allesamt Muslime. Untypisch für Bali reiht sich hier ein Geschäft für Kopftücher an das nächste – an den kleinen Essensständen kleben „halal“-Sticker.

Ich lerne Edi kennen, der an der Hauptstraße einen kleinen Kiosk besitzt, der zwar nur 200 Meter von der Moschee entfernt ist, aber schon zu einem Nachbardorf gehört. Die Dorfgrenzen sind fließend. Edi ist Hindu und erzählt mir, dass Muslime hier schon sehr lange wohnen. Seite an Seite kämpften Muslime und Hindus hier für die Unabhängigkeit von den Niederländern. „Religiöse Konflikte? Nein, die gibt es hier nicht“, sagt Edi, „wir reden viel miteinander und respektieren uns. Schon immer.“ Das beste Beispiel dafür will mir Edi direkt zeigen.

Mit dem Roller fahren wir die Straße runter zur Moschee, biegen rechts in eine kleine Gasse ab und landen vor Edis Familientempel, den es hier schon seit Jahrhunderten gibt. „Das Besondere ist, dass hier zwar unser Tempel steht, aber drumherum sind alles Häuser von Muslimen. Das war noch nie ein Problem. Wir versuchen aufeinander Rücksicht zu nehmen.“ Wenn zum Beispiel hinduistische Feste anstehen, bei denen auch manchmal Schweine geschlachtet werden, die im Islam als unrein gelten, wird streng darauf geachtet, dass sich alles nur innerhalb der Tempelmauern abspielt. „Wir sprechen immer wieder mit unseren muslimischen Nachbarn, erklären ihnen alles und gehen so gut es geht auf ihre Bedürfnisse ein.“

Andersrum funktioniert das auch: Harto ist 27 und hat sein Haus direkt an einer der Tempelmauern gebaut. „Ich würde zwar niemals einen Fuß in den Tempel setzen, weil mir das meine Religion nicht erlaubt, aber ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn hier hinduistische Feste stattfinden.“ Harto erzählt mir auch, dass alle Muslime im Dorf am höchsten hinduistischen Feiertag auf Bali, dem Tag der Stille, besondere Rücksicht auf ihre hinduistischen Nachbarn nehmen. Auch die Muslime verzichten an diesem Tag auf alles, was Lärm macht, versuchen, nicht das Haus zu verlassen und gehen nicht arbeiten. Für Harto ist das selbstverständlich: „Letztes Jahr war der Tag der Stille zwar an einem Freitag, an dem wir in die Moschee zum Freitagsgebet gehen müssen, aber wir haben auf unsere Roller verzichtet und sind zu Fuß hingegangen. Danach sind wir dann wieder nach Hause. Wenn man friedlich zusammen leben will, dann ist es sehr wichtig, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Das funktioniert bei uns in Gel Gel sehr gut.“

Der Familientempel von Edi befindet sich inmitten von muslimischen Nachbarn

Der Familientempel von Edi befindet sich inmitten von muslimischen Nachbarn

Das Minarett der Moschee in Gel Gel

Das Minarett der Moschee in Gel Gel