Die Ernte ist dieses Jahr schlecht ausgefallen, wegen Frost. Trotzdem lächelt der ergraute Bauer zwischen den kahlen Kiwi-Bäumen mich an. Vielleicht weil ich so staune. Die kleine Küstenstadt Qasemabad-E Solfa liegt in der Provinz Gilan am Kaspischen Meer, an der Grenze zur Region Mazenderan, wo gerade Tonnenweise Orangen geerntet werden. Gilan wiederum ist für den Reisanbau bekannt, er macht fast 70 Prozent der Landwirtschaft hier aus. Von den Kiwis aus blickt man auf mehrere unbeflanzte Reisfelder, Enten sind als Vorbereitung für die Saat schnatternd dabei Würmer aus dem nass-matschigen Boden zu wühlen.
Dass es hier auch die kleine, grüne, ursprünlich aus China stammende Stachelfrucht gibt, war mir neu. Der Bauer lehnt an seine große Schaufel, lächelt wieder als er mir erklärt, dass er seit sieben Jahr auf Kiwis umgestellt hat, insgesamt 76 Bäume. Vorher war das eine Tee-Plantage. „Das Blätter pflücken drei Mal im Jahr war viel anstrengender und teurer, als die Kiwi-Ernte. Ich habe dafür viel mehr Helfer gebraucht, und der Preis für Tee ist immer weiter gesunken.“ In den letzen drei Jahren mussten drei Tee-Manufakturen in der Umgebung schließen. Rund 100 Leute haben dadurch ihre Arbeit verloren. Auch wenn es das Nationalgetränk der Iraner ist, viele kaufen lieber Sorten aus dem Ausland. Vor allem aus Indien, sagt der Bauer. Ein paar Tee-Pflanzen gibt es bei den Nachbarn noch.
„Ein Kiwi-Baum gibt fast 200 Kilo Früchte, ingesamt sind es mehrere Tonnen. Wir exportieren einen Großteil, meine Kiwis gibt es auch in Deutschland.“ Ich kann mich an keine Iran-Etikette im Supermarkt erinnern. Später google ich, vor etwa zehn Jahren hat der Kiwi-Anbau im Iran angefangen. Und nicht nur die EU wird beliefert, sondern auch Irak, Afghanistan, die arabischen Emirate, die Türkei, Weißrussland, Turkmenistan, Azerbaijan, Tajikistan, Pakistan, Indien und Russland.
Ich stehe zum ersten Mal neben einem Kiwi-Baum. Etwas größter als ich, vielleicht 1,80 bis 2 Meter, ein dünner grauer Stamm, die vielen kahlen Äste liegen vertikal auf einem schwarzen Kabelnetz. „Wenn sie auf dem Boden hängen, verderben die Früchte“, der Bauer zeigt auf die Konstruktion. „Der Winter war sehr kalt, wir mussten viele Kiwis wegwerfen, ins Wasser.“ Das erklärt die einzelnen Früchte, die nachher am Strand finde. Auch verdorbene Orangen landen hier, von den Flüssen aus führt alles ins Kaspische Meer. Die Fruchtsäure ist nicht wirklich gut für die Umwelt, meint nachher ein neu aus Tehreran zugezogener Ingenieur zu mir, aber mit Umweltschutzen haben es Iraner generell nicht so. Selbst zwischen Kiwibäumen und Reisfeldern liegt viel Plastik-Müll. Aber das ist eine andere Geschichte.