„Good morning“, begrüße ich meinen Guide am Treffpunkt. Dass es erst 22 Uhr ist, habe ich für einen Moment vergessen. Wer den Ol Doinyo Lengai besteigen will, muss noch vor Mitternacht starten. In der prallen Sonne Tansanias wäre die Tour auf den Vulkan zu anstrengend. Den Kraterrand wollen wir zum Sonnenaufgang erreichen. Meine Vorbereitung für die gut 1.600 Höhenmeter ist nicht ideal: Zwei Stunden Schlaf und ein Instant-Kaffee. Dann fährt uns der Jeep an den Fuß des Vulkans.
Der Ol Doinyo Lengai liegt am Natronsee im Norden Tansanias – im Land der Massai. In ihrer Sprache bedeutet der Name so viel wie „Der Berg Gottes“. Ein Ausbruch symbolisiert für die Massai seinen Zorn. Besonders zornig war Gott zuletzt zwischen 2007 und 2008. Die Umgebung wurde damals evakuiert, der Ausbruch hat den Krater des Vulkans verändert. Die Lava des Ol Doinyo Lengai ist besonders flüssig und mit maximal 600 Grad Celsius verhältnismäßig kalt.
Die ersten Schritte fallen leicht. Ein fester Weg, geringe Steigung. Der Vollmond ersetzt die Stirnlampe. Nur wenige Touristen wagen den Aufstieg auf den Ol Doinyo Lengai. Mit mir sind in dieser Nacht nur drei Schweizer unterwegs. Wer in Tansania wandert, besucht meist den Kilimanjaro. Die Region um den Lake Natron ist abgeschieden. Nur über eine holprige Sandpiste erreicht man den Vulkan. Dabei hat die Gegend Potenzial: Am Lake Natron brüten zahlreiche Flamingos, im Tal treiben sich Zebras, Giraffen und Strausse herum. Die wenigen Lodges sind gut ausgestattet. Wer will, kann mit Blick auf den Vulkan am Pool liegen.
Nun aber blicke ich in Richtung des Vulkan-Gipfels, der immer mehr in Nebel und Wolken verschwindet. Regen setzt sein, aus wandern wird klettern. Mit Händen und Füßen kraxeln wir nach oben. Wege gibt es nicht. In Nebel, Niesel und Dunkelheit fordert der Berg Gottes seine Besucher enorm. Weil wir gut in der Zeit sind, machen wir für gut eine Stunde Rast unter einem Felsvorsprung. Nah beieinander, um in den nassen Klamotten nicht zu sehr zu frieren.
Pünktlich zum Sonnenaufgang erreichen wir den Krater. Nur sehen können wir leider nichts. Der dichte Nebel verdeckt die versprochene Aussicht auf Sonne, Natronsee und Lava im Krater. Enttäuscht sacken wir am Kraterrand zusammen. Gott meint es wohl nicht gut mit uns. Auch der Abstieg ist eine Herausforderung. Der glatte Untergrund zwingt uns immer wieder in die Horizontale. Immerhin: Als wir die Wolken wieder über uns gelassen haben, offenbart sich ein fantastischer Blick über die Landschaft. Die Sonne leuchtet ins Tal. Gott scheint doch ein wenig Mitleid zu haben.