Unterricht in der Privatschule

Hauptgebäude der DHPS

„Die erste Ebene wählt die nächste Ebene. Aber wer steht ganz oben?“ – „Die Arbeiter und Soldaten sind an der Macht. Sie wählen und sie können sich auch wieder abwählen.“ Christopher und Josseline diskutieren auf Deutsch in einer Klein­gruppe die Vor- und Nachteile von Räterepublik und parlamentarischer Demokratie. Geschichte steht auf dem Stundenplan: Die Weimarer Republik. Alle 13 Schülerinnen und Schüler tragen graue Hosen und blaue Polohemden mit dem DHPS-Emblem. Die Deutsche Höhere Privatschule wurde im Jahre 1909 als Kaiserliche Realschule gegründet. 100 Lehrer und Erzieher aus Namibia und Deutschland betreuen und unterrichten heute weit über 1.100 Schüler. Christopher ist Deutsch-Namibier und in Windhoek geboren; er besitzt die doppelte Staatsbürgerschaft, seine Urgroßeltern sind in den 1920er Jahren nach Namibia ausgewandert. Heute wird er 18 Jahre alt. Er geht in die 12. Klasse, ist Schulsprecher und macht im Herbst sein Abitur. Die Schulglocke klingelt. Seine Mutter wartet mit dem Auto vor dem Gebäude. Bald darf er alleine fahren, morgen hat er seine Fahrprüfung.

Sportanlage der DHPS

Es geht in einen der wohlhabenden Stadtteile von Windhoek. Große Häuser hinter Mauern und Elektrozäunen. Christophers Vater arbeitet in der Versicherungs­branche, die Mutter organisiert den Haushalt. Er hat zwei Geschwister. Alleine die Autofahrten nehmen eine große Zeit in Anspruch. Die Kinder werden überall hingefahren. Schulbusse oder öffentliche Verkehrsmittel gibt es nicht. Zu Fuß sind die Strecken zu weit, außerdem ist es zu gefährlich, vor allem wenn es dunkel wird.

Christopher beim Fitnesstraining

Nach dem gemeinsamen Mittagessen geht es ins „Gym“. Christopher und einige seiner Schulfreunde absolvieren ein Zirkeltraining. Fitnesstrainer Hans nimmt die Zeit für die jeweiligen Übungen. Zweimal in der Woche ist Christopher beim Training. Zusätzlich spielt er am Abend Volleyball oder Fußball. In der 10. Klasse ist er für ein Jahr in Münster auf ein Gymnasium gegangen, dort hat er sogar in der Regionalliga Fußball gespielt. Aber Berufssportler möchte er nach dem Abitur nicht werden: „Ich würde gerne als Wirtschaftsingenieur arbeiten und in Südafrika studieren, vielleicht auch mal Europa. Mein Vater meint, dass ich in Südafrika eine sehr gute Ausbildung bekomme. Ich habe auch nichts dagegen. Aber vielleicht gibt es auch etwas in Europa, was mir sehr gut gefällt.“ Mit der DIAP, der Deutschen Internationalen Abiturprüfung, wird er die freie Auswahl haben. „Ich bin seit der ersten Klasse in der DHPS und bin sehr stolz darauf. Ich war ein Jahr in Deutschland und hier ist das auf jeden Fall derselbe Standard.“ Für diesen Standard müssen seine Eltern viel zahlen: 33.000 NAD (ca. 3.400 Euro) pro Schuljahr. Im Vergleich zu anderen Privatschulen sei das noch günstig. Die Spitze liegt in Namibia bei 100.000 NAD pro Jahr. Dafür ist das Angebot groß und die Betreuung sehr intensiv. Kleine Klassen sind die Regel. Auf dem Gelände der DHPS gibt es u.a. einen Kindergarten, ein Internat, einen Fußball­platz, einen Basketballplatz, ein Schwimmbad und viele Nachmittagskurse und Projekte.

Johanna (v.l.) mit ihren Mitschülern

Heute Nachmittag steht Umweltschutz auf dem Kursplan von Johanna. Zusammen mit ihren schwarzen Mitschülern bereitet sie eine Aufklärungskampagne zum Thema Recycling vor. Johannas Muttersprache ist Oshivambo. Sie ist wie Christopher im 12. Jahrgang, geht jedoch nicht in dieselben Unterrichtskurse, da sie nicht mit der DIAP sondern mit dem NSSC (Namibia Senior Secondary Certificate) die Schule ab­schließen wird. Damit hat sie die Hochschulreife für Namibia und Südafrika. Schon Ende der 9. Klasse müssen sich die Schüler für einen der beiden Abschlüsse entscheiden. Beim NSSC wird ab der 10. Klasse in Englisch unterrichtet. Deutsch ist ein Pflichtfach. Bei der DIAP ist Deutsch die Hauptunterrichtssprache. Johanna entschied sich für das NSSC. Als Nichtmuttersprachlerin ist eine Umstellung auf einen deutschen Unterricht schwer, da sie Deutsch erst seit der fünften Klasse lernt. Bis zur 4. Klasse ging sie noch auf eine Staatsschule. Sie hatte dann die Möglichkeit, an einem DHPS-Schultest teilzunehmen. Sie schnitt sehr gut ab und konnte im nächsten Schuljahr auf die deutsche Schule wechseln. Das Ganze nennt sich neue Sekundarstufe und ist ein Projekt aus den 80er Jahren. Die DHPS-Schulleiterin Monika Pfänder erklärt: „Das ging von Deutschland aus. Ziel war es, die Schule für Schwarze zu öffnen“. Es sei gar nicht einfach gewesen, dieses Vorhaben vor der Unabhängigkeit umzusetzen. Das Projekt wird noch von Deutschland unterstützt. Bald läuft jedoch die Förderung aus. Johanna hat Glück, dass sie noch Zuschüsse bekommt. Johannas Mutter, eine Kranken­schwester, muss so nur einen Teil des Schulgeldes bezahlen.

Johanna und Christopher schließen beide nach 12 Jahren die Schule ab. Auch in Namibia gilt schon das achtjährige Gymnasium, eine Auflage aus Deutschland. Deshalb musste auch der Abschluss reformiert werden: Die Trennung in NSSC- oder DIAP-Kurse ab der 10.Klasse. „Vor zwei Jahren war das noch anders. Am Ende der 12. Klasse haben alle Schüler zusammen das NSSC absolviert; wer wollte, konnte dann noch das deutsche Abitur machen“, so Schulleiterin Monika Pfänder. Für englischsprachige Kinder sei es einfach zu schwierig, schon ab der 10. Klasse alle Fächer auf Deutsch zu haben. Das sei eigentlich eine problematische Sache, weil die Umstellung im Sinne des Begegnungscharakters kontraproduktiv sei. Und Christopher bestätigt, dass er zwar einen engen Kontakt zu Schülern des NSSC-Zweiges hätte, das wäre aber nicht bei allen seinen DIAP-Mitschülern der Fall.

Der Fischteich auf dem Schulhof der DHPS.

Ende des Jahres hat Johanna ihren Abschluss geschafft. „Ich bin sehr aufgeregt und freue mich, selbstständig zu werden. Ich würde gerne Architektur oder Bauingenieur­wesen in Südafrika studieren, am liebsten in Kapstadt“, erzählt sie auf Englisch. Und auf Deutsch ergänzt sie: „Physik ist mein Lieblingsfach und ich interessiere mich außerdem für Kunst.“ Da war ihr Studienwunsch schnell klar. Sie will sich auch für ein Stipendium bewerben, um das Studium zu finanzieren. Andere aus ihrem Jahr­gang wollen Ärzte oder Rechtsanwälte werden und teilweise auch in Südafrika studieren. Wenn aber ein Fach in Namibia angeboten wird, bekommt man in der Regel keinen Studienplatz in Südafrika. „Das Land fängt damit an, einige Studien­gänge für Namibier zu schließen; z.B. bei Medizin werden keine Absolventen mehr genommen, da der Medizin-Studiengang in Windhoek aufgebaut wird“, erzählt Monika Pfänder.

Christopher ist ein wenig außer Atem, er hat sein Zirkeltraining beendet. Jetzt geht es nach Hause. Gleich kommen seine Freunde, um mit ihm seinen Geburtstag zu feiern. Denn morgen früh um sieben Uhr muss er schon wieder in der DHPS sein.