Klaas geht über den Schulhof zu einer einfachen Wasserstelle. Er öffnet den Hahn und trinkt einen Schluck. Dann muss er zum Englischunterricht. Er geht in die 12. Klasse der staatlichen Jan Jonker Afrikaner Senior Secondary School (8.-12. Klasse), eine der größten Schulen im ehemaligen Township Katutura. Hier plätschert kein Wasser in einen Fischteich, wie bei der Deutschen Höheren Privatschule. Von den Wänden der Klassenräume blättert die Farbe, an der Decke haben sich große Schimmelflecken gebildet. Die Schulbänke und Stühle sind alt. Klaas und seine Mitschüler schreiben englische Redewendungen von der Tafel ab. Niemand redet.
Das Lieblingsfach von Klaas ist Ökonomie. Nach der Schule möchte er dieses Fach auch an der Polytech (Fachhochschule) in Windhoek studieren. Sein Wunsch ist es, einmal als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Namibia zu arbeiten. Denn Wirtschaftsprüfer würden vor allem aus dem Ausland kommen; es gäbe noch zu wenige qualifizierte Arbeitskräfte. Klaas lebt in einem Waisenhaus ein paar Kilometer entfernt. Claudia ist stolz auf seinen Ehrgeiz. Als Leiterin des Waisenhauses verfolgt sie seinen Lebensweg schon ein paar Jahre. „Ich hoffe, dass Klaas bald Verantwortung für sein eigenes Leben übernehmen kann.“ Er müsse jetzt einen guten Abschluss machen, um an die Polytech zu gehen. Denn nach der 12. Klasse bekomme man nicht einfach einen guten Job. Außerdem könne er sich mit guten Noten für ein Stipendium bewerben. Ansonsten würde es sehr schwer werden, die Studiengebühren zu finanzieren.
Claudia zeigt mir die Schule. Das Haupthaus mit der Verwaltung, dahinter einfache langgestreckte Gebäude mit Klassenräumen. Eine Lehrerin kommt auf Claudia zu. Sie ist ganz aufgebracht. Einer der Schüler habe sich mal wieder nicht konzentrieren können und dann einen Schwächeanfall gehabt: Er habe heute noch nichts zu essen bekommen. Das würde immer wieder passieren, sagt Claudia.
Ein Mitschüler von Klaas ist Lazarus. Er wirkt nicht so enthusiastisch wie Klaas, sondern fast schon apathisch. Zusammen mit seiner Mutter und seinen beiden Geschwistern lebt er in Babylon, einer „informal area“ in Katutura. Hier sind die Hütten aus Wellblech, Strom und fließendes Wasser die Ausnahme. Er läuft jeden Morgen 40 Minuten zur Schule. Die geht um kurz nach sieben los. Nach sechs Stunden Unterricht muss er den Haushalt führen. Seine Mutter arbeitet als Haushaltshilfe in einem Hotel. Sein ältester Bruder ist Wachmann, sein zweiter Bruder hat gerade das Studium an der UNAM (Universität von Namibia) begonnen. Er will Wirtschaftswissenschaften studieren und einen besseren Job, um seiner Familie zu helfen.