Heute ist Ihr letzter Tag. Die 40jährige Rachel Osabutey packt die letzten verbleibenden Hühner zusammen, und fängt mit ihren Mitarbeitern an, den kleinen Behelfsstall abzubauen, der 2 Wochen lang mitten auf der Straße in Accra stand. 2 Wochen lang, von 18. Dezember bis jetzt, den 1. Januar hat sie versucht, die letzten Hühner ihrer Geflügelfarm zu verkaufen, jetzt macht sie dicht.
„Ich wollte vor allem die Weihnachtszeit ausnutzen“, erzählt sie, „da geben die Leute mehr Geld aus und ich werde die Hühner wenigstens los.“
Noch vor 6 Jahren hatte sie zusammen mit ihrem Mann Edward drei große Farmen. mit über 10 000 Hühnern und einigen hundert Truthähnen, sie hatten eine eigene Schlachterei und eine Verpackungsanlage, doch das importierte gefrorene Geflügel aus Europa, Nord- und Südamerika ist einfach billiger. Bei Preisen von 5 Cedi pro Huhn – das sind umgerechnet 2 Euro 50 – können sie nicht mithalten.
„Die großen Hotels, Supermärkte und Restaurants haben mir früher die Hühner aus den Händen gerissen“, erzählt Edward, „aber auf einmal bin ich auf meiner Ware sitzen geblieben. Das Kühlhaus war bis an die Decke voll mit gefrorenen Hühnern, wird wussten nicht mehr weiter, dann sind wir beide durch Accra gefahren und haben die Hotels und Restaurants abgeklappert, um das Hühnerfleisch loszukriegen, am Ende haben wir dann unter Preis verkauft, dass war so frustrierend.“
Vor 5 Jahren, im März 2005 entschieden Rachel Osabutey und ihr Mann nur noch um die Weihnachtszeit herum Hühner zu verkaufen. “ Früher habe ich 10 Cedi für ein Huhn verlangen können, jetzt kriege ich nur noch 8, weniger kann ich nicht nehmen, sonst zahle ich drauf.“ Ihre Gegner auf dem Hühnermarkt in Ghana sind große Mastbetriebe aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Brasilien und Kanada. Mit den durchrationalisierten Prozessen in den riesigen Betrieben, in denen 1 Million Hühner gleichzeitig großgezogen werden, kann sie nicht mithalten.
Die Hühnerfarmer in Ghana produzieren zwar nicht ökologisch, aber in kleineren Einheiten mit viel Auslauf fürs Federvieh, das ist zwar gut für den Geschmack und auch für die Tiere, nicht aber für den Geldbeutel. Rachel Osabutey braucht 8 Wochen, um ein Küken großzuziehen, in den großen Fabriken in Deutschland uns anderswo sind es nur 35 Tage.
„Ich verstehe nicht, warum unsere Regierung das zulässt.“ Fragt sie sich. Zu Recht. Viele Hühnerfarmer mussten in den letzten Jahren Konkurs anmelden. Schuld sind die Importe: Wurden im Jahr 2001 noch 11 000 Tonnen Hühnchen importiert, waren es 2007 schon 75 000.
2003 versuchte die alte Regierung unter John John Agyeikum Kuffour (NPP) Zölle für Gefrierhühner und Hühnerteile einzuführen, wurde jedoch vom IWF, dem Internationalen Währungsfond, zurückgepfiffen. Die Zölle würden nicht mit dem Ziel der Armutsbekämpfung übereinstimmen. Dadurch, dass die Leute billiger Hühnchen kaufen könnten, wären sie besser ernährt und könnten Ihr Einkommen für andere Dinge verwenden. Da die IWF – Kredite an Ghana an solche Ziele gebunden sind, konnte die Organisation mit einer Kreditsperre drohen, sollten die beschlossenen Einfuhrzölle wirklich umgesetzt werden.
Es stellt sich die Frage, ob die negativen Effekte der Handelsausweitung im Falle der Hühnerindustrie in Ghana nicht deutlich überwiegen. Das Arbeitsbekämpfungsprogramm des IWF führt zu Arbeitslosigkeit und höherer Abhängigkeit vom Weltmarkt.
Kay Andraschko, Direktor des DED (Deutscher Entwicklungsdienst) in Ghana hält moderate Schutzzölle für sinnvoll: „Handelsliberalisierung ist nur dann sinnvoll, wenn beide Seiten Nutzen daraus ziehen, die ghanaische Wirtschaft ist weder konkurrenzfähig, noch kann sie durchgehend dieselben Qualitätsstandards halten, egal ob es um Hühner, Reis oder Tomaten geht.“
Die Handelsministerin der neuen Regierung, Hannah Tetteh ist sich des Problems bewusst. Anders als die Vorgängerregierung unter Koufour, die sehr handelsliberal war, versucht sie in den Verhandlungen mit der EU über einer weitergehenden Handelsliberalisierung Spielräume für Schutzzölle herauszuschlagen. Im Oktober verweigerte sie die Unterschrift zur Unterzeichnung eines Interim – EPAs, eines Handelsabkommens nur zwischen der EU und Ghana. Das Problem des Vertrages liegt darin: Ist er einmal unterschrieben, können einmal gesenkte Zölle nicht wieder angehoben werden. Dadurch kann die ghanaische Regierung keine kurzfristigen Schutzzölle erheben, falls die Preisveränderungen auf den Weltmärkten es erfordern sollten.
Außerdem will Hannah Tetteh, anders als die Vorgängerregierung, die die Verhandlungen mit der EU über ein bilaterales Abkommen akzeptiert hatten, kein europäisches – ghanaisches Abkommen. Lieber will sie die die Verhandlungen gemeinsam mit den anderen Westafrikanischen Ländern, die in der Handelsvereinigung ECOWAS organisiert sind führen. Sie fürchtet Einbußen im regionalen Handel durch ein bilaterales Abkommen.
Darüber hinaus sollen auch die bestehenden Abkommen im Rahmen des Cotonou – Abkommens mit der EU und der WTO – Vereinbarungen neu verhandelt werden, denn schon jetzt ist es Ghana verboten, einmal reduzierte Zölle anzuheben. Die EU droht, durch eine Nichtunterzeichnung würde Ghana die besondere Bevorzugung verlieren, Strafzölle auf Kakaoimporte sollen folgen, doch bis jetzt sind die vollmundigen Ankündigungen folgenlos geblieben.
Die Zeit spielt gegen Hühnerfarmer wie Rachel und Edward Osabutey. Durch den Zusammenbruch der Hühnerproduktion wird die Zucht für die verbliebenen Farmer teurer. Die Küken schlüpfen längst nicht mehr im Land, sondern müssen importiert werden. Große Verpackungs- und Tiefkühlanlagen werden unrentabel. Die Hühner werden wie früher lebend auf der Straße verkauft. Die ghanaischen Verbraucher sind jedoch längst auf den Geschmack gekommen. Gefrorenes Fleisch kann portionsweise gekauft werden, außerdem entfällt das lästige schlachten zu Hause. Würde die Kühlkette in Ghana eingehalten werden, wäre die Tiefkühlkost kein Problem, doch auf vielen Märkten gammelt das Fleisch bei 30 Grad erst einmal einen Tag vor sich hin, bevor es einen Käufer findet.
Die Dinge ändern sich nicht unbedingt zugunsten der Ghanaischen Hühnerfarmer: Stimmten früher viele Verbraucher darin überein, dass das inländische Geflügel besser schmeckt und frischer ist, hat sich die Meinung inzwischen geändert: Bei höherem Preis hat der Käufer aber auch höhere Qualitätsansprüche, werden sie nicht erfüllt wendet sich der potentielle Käufer lieber der Importware zu.
Am Ersten Januar ist für Rachel Osabutey Schluss. Dann wird sie ihren Stand direkt vor dem Landwirtschaftsministerium abbauen. Rein gehen und sich beschweren? Nein, auf diesen Gedanken sei sie noch nie gekommen, erklärt sie verwundert: „Was können die denn für mich tun?“ Das Leben geht weiter. Ihr Mann hat inzwischen eine neue Firma aufgebaut: Er importiert Reis.