„Zurück aufs Land“ – so lautet die Devise der kubanischen Regierung. In der Parteizeitung „Granma“ ließ Präsident Raúl Castro vor kurzem verkünden, man müssen das Land wieder produktiv machen. Derzeit ist jedoch genau das Gegenteil der Fall, denn laut einer Studie vom Statistischen Amt (ONE) werden auf Kuba von insgesamt 6,6 Millionen Hektar Agrarland derzeit gerade mal die Hälfte bestellt. Ein Desaster für die Nahrungsmittelproduktion auf der Insel, denn seit Jahren steigen nicht nur die Mengen der Nahrungsmittel, die importiert werden müssen, sondern auch deren Preise. Allein im letzten Jahr mussten Lebensmittel für 1,7 Milliarden US-Dollar importiert werden – rund ein Drittel davon ausgerechnet vom Klassenfeind, den USA. Experten haben ausgerechnet, dass mittlerweile über 80 Prozent der Kalorien, welche 11,2 Millionen Kubaner täglich verzehren, von Nahrungsmitteln aus anderen Ländern stammen.
Für den kubanischen Agrarwissenschaftler Eduardo Nova (Name geändert) ist diese Entwicklung nicht nur alarmierend, sondern auch vollkommen unnötig, da „Kuba eigentlich wie kaum ein anderes Land in Mittelamerika mit Bodenschätzen gesegnet“ sei. Den Hauptgrund für die niedrige Produktivität sieht er in dem geringen Bezug, welchen die kubanischen Bauern zum Boden haben, den sie im Auftrag des Staates bewirtschaften sollen. „Die meisten denken sich: Warum soll ich in das Land investieren, wenn es mir nicht gehört und wenig später vielleicht einem anderen überantwortet wird?“ Die Zahlen geben Nova recht: Private Bauern, die selbstständig arbeiten, besitzen nur 40 Prozent der landesweiten Agrarflächen, produzieren aber mehr als 70 Prozent der auf Kuba angebauten Nahrungsmittel – sie sind also ungleich produktiver als staatlich Bedienstete.
Das hat jetzt offenbar auch die kubanische Regierung erkannt. Im Zuge der sogenannten „dritten Landreform“ erteilte sie landlosen Bauern die Erlaubnis, bis zu 13,43 Hektar vom Staat zur privatwirtschaftlichen Nutzung erhalten. Kleinbauern, die ihre Felder nachweislich bestellen, können ihre Anbaufläche später auf maximal 40,26 Hektar erweitern und erhalten ebenfalls das Landnutzungsrecht für einen Zeitraum von bis zu 25 Jahren. Mit diesen Maßnahmen, Kreditprogrammen und der Einrichtung von Geschäften für Agrarinputs, also Pflanzenschutz- und Düngemittel, Saatgut, landwirtschaftliche Maschinen und Technologie, hoffen die Regierungsexperten, den Agrarsektor nach Jahren des latenten Verfalls endlich wieder flott zu machen. Ob diese Maßnahmen greifen werden, wird sich aber erst in den kommenden Jahren zeigen. Für einen strukturellen Umbau der Agrarstruktur und nachhaltigen Landbau wären 15-20 Jahre nötig, schätzt Nova. „Doch in Havanna denkt man gar nicht so langfristig. Dort geht es den meisten Menschen schon jetzt vor allem darum, schnell mehr Essen auf den Tisch zu bekommen.“