Jugend im Krieg 4: Caim und sein Dorf: vom Tamilencamp zum Party-Surfspot

Caim, 37, Surflehrer, Tuktukdriver, Safariguide, Ex-Polizist in Katar, Ex-Fischerjunge

Caim A Bay

Caims Lieblingsspruch ist: „If you are happy I am happy“. Er flirtet, surft, organisiert. Und spottet Elefanten oder arrangiert Dschungel-Tuktuk-Touren. Ein Mann für alle Fälle, die Surfer lieben ihn dafür. Caim ist muskulös, trägt Bürstenhaarschnitt und Kargohosen und spricht besser Englisch als die meisten hier – klar mit den üblichen „local expressions“ – but slowlyslowly getting better Madame! Arabisch spricht er übrigens auch – „11 years I worked for the police in Kathar. Boring  job – I had to pick up people form the airport and drive them around. Very boring, but very good money! 700 US per month, free food and accommodation.” Mit 22 hat Caim seine Sachen gepackt. Viel hatte er eh nicht, erzählt er und läßt seine coole Maske für ein paar Minuten fallen. „I come from a very poor family. Since I was a child I had to go fishing for my mother and my four little sisters. My dad died when I was very small. So I had to make money.” Für Schule war da keine Zeit mehr, Caim ging nur fünf Jahre auf die Grundschule.

 

Eingekesselt im Fischernest

arugam bay beach

Sein Lebenslauf sieht dementspechend wenig glorreich aus. Den musste er aber in Katar auch gar nicht einreichen, denn es lief wie alles hier: über Beziehungen. Der eigentliche Grund warum er aber weg wollte aus dem kleinen Fischernest an der Ostküste war der Krieg. „I was stuck“ – und das in jeglicher Hinsicht. Null Perspektive, null Bewegungsfreiheit, null Freiheit in irgendwelcher Hinsicht. Caim setzt sich neben sein Surfboard, schaut auf die tosenden Wellen. Während er seine Geschichte erzählt,  scheint er zu vergessen, dass er ja eigentlich hier war um den in der Sonne bratenden Europäerinnen Surfstunden, Dschungeltouren und Safaris zu verkaufen.

 

„Du konntest dich keinen Meter aus dem Dorf bewegen ohne Todesangst“

 

„1983 I was seven years old. One day the Tamil Tigers knocked on our door. They were shouting at us ‘give us some food’. But we had hardly anything for our families. My Mum was crying. I was dead scared.” Und so ging es dann weiter. In dem kleinen Fischerdorf an der Ostküste errichten die Tiger ein Camp. Das Problem war, dass am anderen Ende des Dorfes bald die staatliche Armee – die gegen die Tamils kämpfte – ebenfalls ihre Zelte aufschlug. Mitten drin: Caim und die paar hundert Fischerfamlien. „We could not move anymore. If I wanted to go to another city, I had to go through control posts all the time. And I was never sure if I would come back.” Erst dachte er der Krieg sei bald um – doch es wurde immer schlimmer. Immer mehr Zivilisten kamen um. Und da sah er in einem gut bezahlten Job in Katar seine Chance, rauszukommen.

 

„Life is too short – you have to enjoy it!”

 

Caim zuckt die Schultern, grinst – und zwar nicht zur Blondine auf dem Surfboard neben an – und meint mit ernster Stimme. „You need to enjoy your life. It’s too short to spend it with boring jobs – even if they are well paid. So I went back to my village. Back to my surfboard, back to a life at the beach.” 2009 war das. Jedoch noch vor Kriegsende. “I had no idea that the war will be over soon. I never expected that at all. Never.”Nach über elf Jahren kam er zurück. Mittlerweile konnte man sich besser in der Kriegszone bewegen. Natürlich mit den üblichen Kotrollen, aber immerhin. „But what really blew me away was that the Australian surfers had been coming to Arugam Bay during the whole war.” Die Aussie-Surfer hatten es irgendwie jedes Jahr zwischen April und August geschafft sich auf die Ostküste ins Fischerdorf Arugam Bay durchzuschlagen. „Because of the waves. They are just perfect. And Aussies just want to surf. They don’t care about the war.”

 

Surf-Spot im Kriegsgebiet? So what – Australiern war das egal

 

Die Fischer haben sich mit den surf-fanatischen Australiern über die Kriegsjahre hinweg angefreundet. Sie waren gerne gesehen – und sie brachten Geld. Viele Fischer haben einfache Bambushütten gezimmert und sie vermietet – das war ein super Zusatzeinkommen.  Caim dreht sich um, zeigt auf ein paar Jungs in bunten Boardshorts. „Those guys have been coming for years. I know them all, they taught me English!“

 

Und dann auf einmal war der Krieg um. Finished. Und das hat Arugam Bay verändert – und zwar nicht nur ein bisschen, sondern so richtig.  „Suddenly we had Italians, Germans, English, French and Danish surfers. And one big problem: not enough accommodation.” Also bauen sie hier wie verrückt. Jeder setzt Bungalows in den Garten, jeder macht ein Restaurant auf. „Experience – no need Madame!“. Irgendwie klappt das schon – das ist hier die Devise.

 

70 Dollar für eine Strandhütte – der  Spot boomt seit Kriegsende

arugam local tourist nah

Seit 2010 ist Arugam Bay, der kleine Surf-Geheimspot zur Partylocation Nummer eins an der Ostküste mutiert. In der Saison platzt der Ort – es kommen nicht nur die Surfer, sondern auch immer mehr „lokals“ – also einheimische Touristen. Caim schlendert an den vielen Bungalows entlang, zeigt auf eine schicke, gemauerte Anlage mit hübschen Hängematten zwischen den Palmen. „70-100 US Dollars. That’s what you pay for this.“ Vor dem Krieg hat keine Hütte mehr als zehn Euro gekostet. „As long as the people come and as long as accommodation is rare we can charge that. It’s big business. And it’s good for the fishermen who are still poor.”

 

Wie das weitergehen soll? Caim schüttelt den Kopf. Die Regierung hat die Ostküste zur Tourismus-Entwicklungsregion erklärt. Er zeigt auf das Buchtende. „Here the government will build a huge hotel. And this will not be the only one. This village will grow – but the atmosphere, the surf-feeling will disappear.” Was er jetzt vor hat? Da setzt Caim wieder sein Sunnyboy-Lächeln auf, zwinkert, nickt den Surferinnen zu und meint: “I love my job as surfing instructor. I want to enjoy my life, want to have fun. As long as I can make a living from that, that’s enough for me. I don’t want to be rich. I want to be happy, and I want to make the tourists happy!” Und dann meint er noch: “From the money I earned in Quatar I bought some land. Maybe I will build some bungalows too. We will see Madame!”

 

“Jugend im Krieg? Wir kannten das Land gar nicht anders!” – Portraits. 1. Shiranka: “Ich wollte zur Armee!“  : http://bit.ly/shiranka

Jugend im Krieg 1: Shiranka, Teil 2: „Südkorea statt Armee“ : http://bit.ly/shiranka2

Jugend im Krieg 2: Dulan „Endlich Reisen – und zwar im ganzen Land!“       : http://bit.ly/dulan

Jugend im Krieg 3: Ugitha „Ehemaliges Kriegsgebiet? Great business!“ : http://bit.ly/ugitha

Jugend im Krieg 5: Kasun spricht Klartext: „Präsident? Nur EINE gute Tat!“ : http://bit.ly/kasuntaxi