„Plötzlich bin ich mittendrin. Keine fünf Minuten ist mein Besuch im Frauendorf Umoja alt und schon haben sie mich in ihre Mitte genommen, tanzen und singen um mich herum; wie herzlich, wie authentisch, wie offen!“
So hätte ich meine erste Begegnung mit den Umoja-Frauen beschreiben können. So hätten es vielleicht auch die amerikanischen Touristen gemacht, die ich ein paar Tage später bei ihrem Kurzbesuch im Dorf beobachten konnte. Aber so war es (noch) nicht.
Gemischte Gefühle, ein bisschen Ernüchterung aber auch gespannte Erwartung, was in den kommenden Tagen passieren würde… das trifft es eher. Ich hatte Einiges gelesen vorab: über die Gründerin Rebecca Lolosoli, die dieses Dorf vor über 20 Jahren mit ein paar Freundinnen aufgebaut hat, um sich und anderen Frauen eine Zuflucht zu schaffen vor den Männern. Rebecca war damals gerade aus dem Krankenhaus gekommen. Ihr eigener Ehemann hatte sie brutal zusammengeschlagen. Ähnlich wie ihr erging es vielen Frauen, erst recht bei den Samburu, einem sehr traditionsbewussten Stamm im Norden Kenias. „Frauen gelten hier nicht viel“, sagt Rebecca. „Du bist ein Nichts und wirst auch nicht als Mensch behandelt. Stammestradition steht oft über dem Gesetz. Junge Frauen werden noch immer zwangsverheiratet, verstümmelt und geschlagen.“ Rebecca und die Frauen von Umoja kämpfen dagegen an, versuchen, die Frauen über ihre Rechte aufzuklären und Bildung für alle zu ermöglichen.
Da steh ich nun also; am Eingang dieses kleinen Dorfes rund 230 Kilometer von Nairobi entfernt. Rebecca, die von meinem Besuch weiß, würde erst am Nachmittag zurück sein, also hatten Rita und ich beschlossen, dem Dorf alleine einen ersten Besuch abzustatten. Die von Kopf bis Fuß prachtvoll mit Perlenketten geschmückten Frauen nähern sich mit einer gewissen Routine. Ich bin unsicher, ob ich die mir entgegengestreckte, leicht geschürzte Hand richtig interpretiere: Ist es eine Begrüßung? Oder doch die Bitte um Geld? Die 15-Jährige Rosslyn bedeutet uns, Platz zu nehmen, während sich die Frauen sammeln, um für uns zu singen, wie sie auf Englisch erklärt. Im selben Atemzug erklärt sie dann allerdings gleich noch etwas, nämlich, dass es uns jeweils 1000 Shilling kosten soll, das Dorf zu besuchen. Eh wir uns versehen sind wir also mitten drin in der wohl üblichen Touristen-Empfangs-Zeremonie. Es wird gesungen, getanzt, zum Mitmachen und Fotografieren animiert.
Na toll, das ist ja mal genau gar nicht mein Ding. Ich spüre förmlich, wie mir plötzlich eine dieser Touri-Spiegel-Reflexkameras um den Bauch baumelt und sich meine Kleidung in ein 100% Safari-Outfit verwandelt, mit Turnschuhen, weißen Socken am besten noch so einem schicken Bauchgürtel-Täschchen, das beleibte amerikanische Touristinnen so gerne zu ihrer Schirmmütze tragen
So hatte ich mir das jedenfalls nicht vorgestellt, das mit dem wahrhaften Eintauchen in eine fremde Kultur. Meine zaghaften Versuche, Rosslyn zu erklären, dass wir nicht als Touristen hier sind, scheitern. Gleich nach dem Tanz geht es weiter mit einer Führung durch das Dorf: Der klassische Abstecher in eine der Hütten, dann hinein in das von den USA gestiftete (das lässt sich dank der übergroßen durchaus etwas angeberischen Spendertafel ja kaum übersehen) Museum. Drinnen vier etwas traurig anmutende, verstaubte Glasvitrinen, in denen ziemlich verstreut einige traditionelle Samburu-Gegenstände herumliegen. Leider ist nicht immer auszumachen, welches der Erklärschildchen nun zu welchem Gegenstand gehört.
Unsere letzte Station: Die Verkaufsplätze. Auf kleinen Tischchen, an den Wänden der zur einen Seite offenen Verkaufshütten und auch auf dem Boden: Überall handgemachter traditioneller Perlenschmuck in allen Formen und Farben. Und mindestens ein Teil müssten wir schon jeweils kaufen, das macht eine der Frauen doch ziemlich deutlich. Gut, wird gemacht; ich will es mir schließlich nicht gleich am ersten Tag mit allen verscherzen. Außerdem bin ich viel zu sehr mit dem kleinen Jungen beschäftigt, der mit einer Begeisterung und völlig ohne Hemmung immer wieder auf mich zugerast kommt und sich von mir lachend durch die Luft wirbeln lässt.
Und bevor wir uns an diesem Nachmittag auf den Weg zurück in unser kleines Camp gleich nebenan am Fluss machen – es wurde ebenfalls von den Frauen aufgebaut und gehört zu Umoja dazu – schaffen wir es dann sogar noch, den Frauen klarzumachen, dass wir gedenken, am nächsten Tag nicht nur wiederzukommen, sondern auch gleich noch ein Weilchen länger zu bleiben.