Beginnen muss ich diesen Blogbeitrag mit den aktuellen Ereignissen in Burkina Faso und nicht meinen Erlebnissen im Senegal, wobei es hier durchaus Verbindungen gibt.
In den Jahren 2012 und 2013 habe ich insgesamt 12 Monate in Burkina Faso gelebt und dort auch meine ersten journalistischen Gehversuche unternommen. Schon damals war mir und vielen anderen Beobachtern des Landes klar: irgendwann in den nächsten Jahren wird es hier vermutlich ordentlich krachen. Denn Burkina Faso wurde die letzten 27 (!) Jahre von ein und der selben Person regiert, Präsident Blaise Compaoré. Bei gleichzeitiger wirtschaftlicher Perspektivlosigkeit der meisten jungen Burkinabè, die mehr als 60 Prozent der Bevölkerung ausmachen, ein sicherer Weg in die politische Krise.
Nun ist sie da, die Krise. Vorgestern sind in Ouagadougou und anderen Städten bis zu eine Millionen Burkinabè auf die Straße gegangen, um die Abstimmung über ein Gesetz zu verhindern, dass Compaoré weitere Amtszeiten ermöglicht hätte. Und sie waren erfolgreich – zumindest teilweise. Compaoré hat inzwischen abgedankt, aber dafür hat das Militär die Macht übernommen. Was das mit dem Ressourcensektor im Senegal zu tun hat, wird dem geneigten Leser im Laufe dieses Artikels klar werden. Wer mehr über die Ereignisse in Burkina herausfinden will, dem empfehle ich diese Analyse.
Zurück nach Dakar. Die vergangenen Tage waren anstrengend, ich habe viele Stunden im Bus oder Taxi auf dem Weg von und zu Interviews verbracht. Doch es hat sich gelohnt. Besonders zu den Themen Fischerei und Bergbau konnte ich einige sehr interessante Gespräche führen, mit Vertretern der Regierung genauso wie Repräsentanten der lokalen Produzenten, Nichtregierungsorganisationen und deutschen politischen Stiftungen.
Das Bild was einem von diesen Experten gemalt wird ist, dass muss ich leider so zusammenfassen, von einer gewissen Frustration geprägt. Stellvertretend möchte ich hier eine Bergbau-Expertin der Hilfsorganisation Oxfam zitieren, die mir erklärte, es fehle im Senegal, wie in anderen Ländern der Region „an Vision und klarer Politik,“ wie man die Rohstoffe des Landes zur wirtschaftlichen Transformation nutzen könne.
Und solch eine Transformation ist dringend notwendig. Der Senegal ist wirtschaftlich praktisch komplett von der Produktion und dem Export von Rohstoffen, seien es nun Fische, Erdnüsse oder Goldbarren, abhängig. Im besten Fall werden die Fische noch im Land selbst filetiert, darüber hinaus gehende Wertschöpfungsketten gibt es kaum.
Und so arbeitet praktisch die gesamte Bevölkerung entweder in der Landwirtschaft, wo noch mit Hacke und Ochsen die Felder bearbeitet werden, oder fährt in kleinen Pirogen aufs Meer. Diese Art des Wirtschaftens mag auf Fotos sehr pitoresk sein, für die Betroffenen aber ist es eine gefährliche, ineffiziente und prekäre Situation.
Wie man diese Situation ändern könnte, darauf hat niemand mit dem ich spreche eine überzeugende Antwort. Schlimmer noch: welche Art Wirtschaft und Gesellschaft man in zehn oder zwanzig Jahren haben möchte, auch dazu existieren kaum klare Vorstellungen. Die senegalesische Politik, so sagt mir eine Vertreterin der Konrad-Adenauer-Stiftung, denkt in Wahlzyklen. Die politische Klasse positioniert sich spätestens seit den Kommunalwahlen in diesem Jahren schon für die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, die vermutlich 2017 stattfinden werden. „Die Staatsausgaben,“ erklärt sie, „fließen zu 70 Prozent in die Hauptstadt Dakar.“ Für den Rest des Landes gibt es eine unüberschaubare Anzahl an Entwicklungs-, Elektrifizierungs-, Gesundheits-, und Kompensationsfonds, an deren Gelder nur die Bürgermeister mit den besten Verbindungen zum Regierungsapparat kommen. Eigene Einnahmen, etwa aus lokal abgebauten Bodenschätzen, haben die Gemeinden keine. Eine nachhaltige lokale Wirtschaftsförderung ist so kaum möglich.
Und hier schließt sich der Kreis zu den aktuellen Ereignissen in Burkina Faso. Dort hat inzwischen das Militär die Macht übernommen, denn weder Blaise Compaoré, noch die politische Opposition haben es in den letzten 27 Jahren geschafft, eine tragfähige Vision für die Zukunft zu entwickeln und diese im richtigen Moment umzusetzen. Damit demonstriert Burkina Faso eindrucksvoll wie gefährlich eine kurzfristige und auf Machterhalt ausgelegte Politik ist.
Doch ich möchte nicht einen übermäßig pessimistischen Eindruck hinterlassen. Der Senegal ist nicht Burkina Faso, die demokratischen Institutionen sind hier ungleich stärker, wie auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Ich stehe erst am Anfang meines Besuchs und morgen werde ich mich ins Landesinnere und raus aus der Hauptstadt begeben. Ich bin gespannt, ob wenn ich zurück komme, meine bisherigen Eindrücke und Bedenken am bestärkt oder zerstreut wurden.