Von Plakaten und Müllsystemen

SozWahlenLeute

Es ist ein ganz normaler Freitagnachmittag (24.10)denke ich, als ich die Sozialwissen- schaftliche Fakultät der Universität von Buenos Aires betrete. Dann die Übersch- wemmung. Mit tausenden bunten Plakaten – kaum ein Zentimeter an der Wand ist noch frei – Handzetteln, Spruchbändern quer durch die Flure im meterabstand aufgehängt kaum höher als mein Kopf. Es sind Wahlen an der Uni und heute ist der letzte Tag. Ich staune über die grandiose Beteiligung und das Engagement der Studenten – wow, Demokratie, denke ich! Während ich mich mit unzähligen „permiso“ (Entschuldigung) durch die mit Studenten überfüllten Flure dränge, fragen mich am laufenden Band Vertreter unterschiedlicher Parteien, ob ich schon gewählt hätte und warum umbedingt für ihre Partei stimmen müsste, bis ich erklärt habe, dass ich keine Studentin bin. Kein Vergleich zu Deutschland, jedenfalls nicht zu meinen Erfahrungen. Die Wahlen zum Hochschulparlament – für die meisten träge, lästige Pflicht.

SozWahlenWarum ich in der Uni bin? Ich habe von einem Seminar erfahren, dass sich mit der Situation des Riachuelo befasst, organisiert unter anderem von der staatlichen Behörde Acumar. Das ist eine neu geschaffene Behörde, die sich um die Belange von Stadt, Staat und Provinz kümmern soll, damit die Säuberung des Flusses nicht an den Grenzen unterschiedlicher Zuständigkeitsbereiche scheitert. Drei Stunden lang höre ich Vorträge von Uni-Mitarbeitern und Studenten – für mich sind sie nicht besonders ergiebig. Eine Uni-Mitarbeiterin stellt stolz das neue Mülltrennungssystem in der Sozialwissenschaftlichen Fakultät vor. Im Prinzip genau so, wie wir es in Deutschland kennen. Sie rechnet vor, dass 10 Prozent der Bevölkerung der Stadt Buenos Aires an der staatlichen Universität arbeitet oder studiert. Diese zehn Prozent könnten doch Vorreiter werden. Allerdings gibt auch an anderen öffentlichen Orten wie in der U-Bahn ein Mülltrennungssystem.

In der Pause lerne ich Erlinda kennen, sie arbeitet mit Schulkindern in einer Villa, einem Armenviertel, das an den Riachuelo grenzt, zusammen und führt mit ihnen Umweltprojekte durch. Es sind Projekte, die den Kindern die Verschmutzung des Flusses erklären sollen. Erlinda ist sehr engagiert, postet regelmäßig auf ihrer Facebook-Seite „Guardianes de la Cuenca Matanza Riachuelo“ und hat sogar schon in Chile vor der lateinamerikanischen Wirtschaftskommission (ECLA) ihre Projekte vorgestellt. Sie kommentiert die Vorträge an der Universität mit den Worten: Das Problem ist sehr viel profunder, sie reden bisher sehr oberflächlich über das Problem. Wir stellen den Kontakt her und ich hoffe, mir ihr bald einen Termin vereinbaren zu können, an dem ich die Villa und die Schule besuchen kann. Sie sagt, es sei kein Problem. SozErlindaBesenyei

Später Abend hält Lorena Suarez von Acumar noch einen Vortrag über ihre Arbeit. Sie ist im Bereich Presse und Öffentlichkeitsarbeit tätig und wenn man sie hört, dann hat man den Eindruck, dass alle gemeinsam mit vollem Elan dafür eintreten, den Riachuelo zu einem sauberen Fluss zu machen. Sie berichtet von den Erfolgen, von den mittlerweile sauberen Ufern des Flusses und den vielen Projekten. So gäbe es eine Postkartenaktion, bei der Bürger ihre Fotos vom Riachuelo einreichen könnten. Kein einziges hässlichen Bild sei bisher eingereicht worden. Sie schwärmt auch von der großen Beteiligung der jüngsten Aktion, bei der Freiwillige gesucht werden, die sich um die Säuberung des Flusses kümmern wollen. Die Resonanz sei sehr gut. Lorena wirkt von ihrer Sache ehrlich überzeugt und tatsächlich habe ich den Eindruck, dass sie voll hinter der Sache steht und sehr engagiert versucht, die Bewohner am Fluss und alle anderen von der Notwendigkeit eines sauberen Flusses zu überzeugen. Aber es ist natürlich einfacher, in der Bevölkerung Akzeptanz für ein Projekt zu schaffen, das vom Grundsatz her eine gute Sache ist. Dennoch bleibt der Eindruck, dass es fast zu schön ist, um ehr zu sein. Auch mit Lorena möchte ich mich noch einmal für ein Interview treffen.SozStudenten