Kudyapi – so heißt das seltsame Instrument. Eine zweiseitige Laute, die aus dem Jackfruchtbaum hergestellt wird. Ein langhaariger Philippino verausgabt sich an ihren Saiten, Schweisstropfen spritzen. Trommler hämmern einen schnellen Beat. Traditionelle Musik trifft Rock.
Gut 100 Zuschauer drängen sich unter dem Vordach des Ayala-Museumscafes. Während davor der tropische Regen in dicken Tropfen auf die Straße fällt, grölen und tanzen sie. Scheinwerfer werfen buntes Licht auf riesige Bäume. In Manila ist Fete de la musique.
Ich warte auf meinen philippinischen Freund Phil und bleibe nicht lange allein. Ein ganzkörpertätowierter Typ im Karohemd quatscht mich an und hält mir seine Rumflasche hin. Er spielt selbst in einer Band, und seine Freunde mit den langen Haaren auch. Willst du mal ihr Video auf YouTube sehen? Er zückt sein Handy. Woher kommst du, was machst du hier? Recherche über Haiyan? Er nimmt meine Hand. Danke, dass du hier bist und das machst. Wir kennen uns gerade fünf Minuten und er will mein Facebook-Freund werden. Stellt mir seine Kumpels vor. So schnell geht das hier.
Manches geht schnell – anderes nicht. Phil steckt im Stau. Als er mit einer Stunde Verspätung endlich auftaucht, gehen wir in ein Café in der angrenzenden Greenbelt-Mall. Tauschen Neuigkeiten aus. Mango mit Klebreis und Kaffee mit süßer Milch stehen auf dem Tisch. Schön ist es. Aber dann platzt sehr plötzlich die Realität in die künstliche Idylle der klimatisierten Mall.
Wir sprechen über Haiyan und Phil erzählt mir eine Geschichte von seinem Chef. Der war am Tag des Taifuns im Büro der Firma in Tacloban. Als der Sturm kommt, verschanzen sich die Mitarbeiter im Bürogebäude. Es schützt sie vor der Sturmflut, die eine drei Stockwerke hohe Welle mit unerwarteter Wucht in die Stadt presst. Die Menschen sind auf einen Sturm eingestellt – nicht auf eine Welle. Tausende sind zum Schutz im Sportstadion untergebracht worden. Es liegt gleich am Strand.
Diese Menschen sind die ersten, erzählt mir Phil. Sie sind im Stadion gefangen, ertrinken alle. Dann wird die Innenstadt weggespült. Als Phils Chef und die Kollegen das Büro endlich verlassen können, sind 80 Prozent von der Stadt Tacloban verschwunden. Vor der Tür: Trümmer. Körper.
Menschen hängen von den Bäumen. Dorthin hat sie die Welle gehoben. Dieses Bild trifft mich am meisten. Das alles ist nicht neu. Aber es fühlt sich anders an, wenn es ein Freund erzählt. Und man selbst an diesen Ort reisen wird.
Julia, please be careful!
Was soll ich denn machen, wenn ein schlimmer Taifun angesagt wird?
Get the hell out of there!
Das wollen aber bestimmt alle?!
Wenn es keinen Platz mehr im Flieger gibt, gehst du auf den Berg!
Klingt unsinnig. Aber dort kommt wenigstens das Wasser nicht hin. Der Rest ist dann vermutlich Glückssache – und Schicksal. Puuh. Phil hat seinen Freund in Tacloban angerufen. Der wird mich vom Flughafen abholen. Ein Ansprechpartner vor Ort. Das ist gut. Denn jetzt habe ich etwas Angst.