Seit einer Woche ist Ramadan. Zum ersten Mal erlebe ich diesen Monat in einem muslimischen Land.
Zumindest oberflächlich betrachtet ist alles so wie vorher auch. Ich kann weiter an jeder Ecke etwas zu trinken und zu essen kaufen. Allerdings hatte sich vor allem in den ersten Tagen die Laune vieler Muslime merklich verändert. Bisher waren alle unglaublich freundlich. Plötzlich wirkt die Kassiererin im Supermarkt gestresst. In einem Park mit Wasserbecken weist mich eine Aufpasserin harsch zurecht, als ich meine Füße ins Wasser halten will. Das sei nur für Kinder, raunt sie mich an. Und als ich nachfrage, warum dann an anderer Stelle des Beckens auch Erwachsene ins Wasser gehen, wird sie noch unfreundlicher: „Ich diskutiere nicht! Sie können ja das Schild lesen!“
Aber jetzt, nach den ersten zehn Tagen haben sich alle daran gewöhnt, tagsüber eben nichts zu essen und zu trinken. Stattdessen gehen alle shoppen. Für die Geschäftsleute ist der Ramadan einer der besten Verkaufsmonate. Wer es sich erlauben kann, kauft sich neue Kleider und die meisten Händler geben bis zu 70 Prozent Rabatt auf ihre Waren.
Manch einer legt den Ramadan auch sehr frei aus. Mein Guide zum Beispiel, der mich einen Tag lang auf einer Tour begleitet. Mohammad genießt es in vollen Zügen, Muslim zu sein. Zumindest, solange es zu seinen Gunsten ist. Er ist Mitte vierzig und mit zwei Frauen verheiratet. Von seiner ersten Frau hat er zwei erwachsene Kinder, die studieren. Seine Frau ist 44 Jahre alt. „Aber es ist besser, eine junge Frau zu haben“, erzählt er mir. Deshalb hat er vor etwa zehn Jahren noch einmal geheiratet. Mit seiner zweiten Frau hat er auch zwei Kinder. Sie ist jetzt 32 Jahre alt. „Ich will möglichst viele Kinder haben. Wenn meine zweite Frau zu alt wird, dann heirate ich noch eine dritte. Im Islam ist das erlaubt.“
Ebenso frei entscheidet Mohammed beim Fasten im Ramadan. „Ich habe Magenprobleme. Ich muss immer etwas essen“, sagt er und kauft sich am nächsten Kiosk eine Packung Schokokekse, die er im Auto isst. „Das ist mein Frühstück. Willst du auch einen?“
Dass Ramadan ist, merke ich vor allem an den Restaurants. Mittags bekomme ich ohne Probleme einen freien Tisch. Viele machen am Nachmittag zu und öffnen erst wieder gegen Abend, wenn das Fastenbrechen kurz bevor steht. In anderen besetzen ab etwa fünf Uhr Jugendliche die Tische und halten sie frei – für Freunde und Verwandte, die später dazu stoßen. Dabei ertragen sie es beharrlich, dass neben ihnen am Tisch nicht-muslimische Familien essen und Kellner volle und duftende Teller an ihnen vorbeitragen.
Überall in der Stadt stehen ab nachmittags kleine Stände an der Straße, an denen Familien ihre selbst gekochten Sachen anbieten. Ordentlich und portionsweise in kleine Plastikdosen aufgeteilt, kaufen muslimische Frauen hier frittiertes Fleisch, Gemüse oder Lasagne für ihre Familien. Damit es dann um 19 Uhr 30 ganz schnell geht, wenn alle zusammenkommen und endlich essen dürfen. Um diese Zeit sind übrigens schlagartig die Straßen leer.
Um neun Uhr am Abend treffe ich mich mit Syar in einem kleinen Café in Bangsar, einem Stadtteil von Kuala Lumpur. Die 26-Jährige ist zwar auf dem Papier Muslima, ist aber nicht gläubig. „Das einzige, was ich mache ist fasten“, sagt sie mir. Deshalb will sie erst in Ruhe zuhause essen, bevor wir uns sehen. „Gestern habe ich aber doch gesündigt und hatte einen Gin-Tonic“, gesteht sie mit einem verschmitzten Lächeln. Wie Syar sind nicht alle Muslime in Malaysia auch wirklich gläubig. Trotzdem fasten sie – zumindest in der Öffentlichkeit. Denn sie müssen. Zwar ist das Fasten nicht gesetzlich vorgeschrieben. Aber überall lauern Aufpasser: Sittenwächter. „Die sprechen dich dann an und wollen deinen Ausweis sehen. Wenn da drin steht, dass du Muslim bist, weisen sie dich darauf hin, dass Ramadan ist und du gefällig zu fasten hast. Und dann zitieren sie dich zur Religionsbehörde.“ Mehr passiert nicht. „Aber in Malaysia bist du als Muslim ständig unter Beobachtung.“