Nurana Quliyeva ist begeistert: „Schauen Sie sich die Decken hier an, die Böden, den Kamin. Fast 200 Jahre alt und immer noch so gut erhalten. So etwas können nur die Deutschen“ schwärmt sie, als ich sie in ihrer Musikschule in Göygöl, einer Kleinstadt im Osten Aserbaidschans, besuche.
Vor 200 Jahren gründeten deutsche Siedler aus Schwaben hier den Ort „Helenendorf“. Sie kamen auf Einladung des russischen Zaren Alexander I. und konnten so der Armut im eigenen Land entkommen.
Kirche und Wein
In den vergangenen Jahren hat man das deutsche Erbe des Ortes wiederentdeckt. Neben einigen Häuserfassaden wurde auch die alte Lutheranerkirche im Ortskern restauriert. Sie beherbergt heute eine kleine Ausstellung. Museumsdirektorin Rita Ibrahimova zeigt mir einige der Exponate: Schuhe der Siedler von damals, eine deutsche Flagge aus dem 19. Jahrhundert, Schmuck.
„Alle Häuser hier in der Nähe haben spezielle Keller, die Deutschen haben dort Wein gelagert“ erzählt mir Mehir Mammadov, als ich wieder vor der Kirche stehe. Der ältere Herr stammt selbst aus Göygöl, er weiß viel über die Geschichte des Ortes. So erfolgreich seien die Deutschen mit ihrer Weinproduktion gewesen, dass sie ihren Wein „ins gesamte Russische Reich exportiert“ hätten.
Deportation unter Stalin
Die Deutschen, so höre ich bei meinem Spaziergang durch Göygöl immer wieder, waren gut integriert. Anfang des 20. Jahrhunderts lebten rund 50.000 von ihnen im Ort. Erst Stalin setzte der Integrationsgeschichte ein Ende. Anfang der 1940’er Jahre wurden die meisten Familien nach Zentralasien deportiert. Einige von ihnen kehrten in den 1990’er Jahren als „Russlanddeutsche“ nach Deutschland zurück.
Nurana Quliyeva erzählt, dass nun regelmäßig Nachfahren der deutschen Siedler nach Helenendorf kämen. In ihrer Musikschule, dem ehemaligen Wohnhaus der „Familie Vohrer“, finden heute Kultur- und Musikveranstaltungen statt. Damit, so Nurana Quliyeva, wolle man ein wenig dazu beitragen, die Erinnerung an das „Kulturland Deutschland“ aufrecht zu erhalten.