Elf Gebote hängen über der Tür — Offenbar bin ich als Kölner hier richtig. Eigentlich wollte ich nur mal kurz vorbeischauen. Dass mitten in Mombasa ein Hindu-Tempel steht, der im Reiseführer als Sehenswürdigkeit gewürdigt wird, hat mich zumindest neugierig gemacht. Aber ohne Mike, der mich direkt am Eingang freundlich auf deutsch angesprochen, oder besser gesagt eingelullt hat, hätte ich mir eine Führung wohl gespart. Mike zeigt mir die Reliefs an den Wänden, die sehr plastisch darstellen, was passiert, wenn man die elf Gebote des Swaminarayan-Hinduismus nicht befolgt. Kocht man etwa zu Lebzeiten einen Hummer, landet man im Jenseits selbst im Kochtopf — zusammen mit dem Typen, der einem den Hummer verkauft hat. Die elf Gebote des kölschen Grundgesetzes sind mir dann doch irgendwie lieber. Aber jede Jeck es halt anders. Mike übrigens auch. Er weiß alles über den Tempel, der Ende der fünfziger Jahre errichtet wurde, über die Religion und die Abläufe der Gebete. Ich frage ihn, ob er auch Hindu ist. Aber Mike ist Moslem wie viele Menschen in Mombasa.
Im Laufe ihrer über tausendjährigen Geschichte wurde die Hafenstadt abwechselnd von Arabern aus dem Oman und Europäern — erst Portugiesen, später Briten — in Beschlag genommen und diente als Umschlagplatz für Elfenbein, Gewürze, Gold, aber auch Sklaven. Die Swahili-Kultur und -Sprache hat sich hier an der Küste Ostafrikas im Laufe der Jahrhunderte aus dem Aufeinandertreffen von Händlern aus aller Welt, von der arabischen Halbinsel bis Indien und China, mit der einheimischen Bevölkerung entwickelt. Der Begriff Swahili leitet sich von dem arabischen Wort für Küste ab. Auch heute noch sind die unterschiedlichen Einflüsse überall in Mombasa sichtbar. Auf den Speisekarten der Restaurants und Imbissständen stehen Shawarma und Falafel neben Samosas und Tandoori Chicken, und in dem von Portugiesen errichteten Fort Jesus am Rande der Altstadt sind kunstvoll verzierte Omanische Türen zu bewundern.
Gleich neben dem alten Fort möchte ich mir ein etwas moderneres Zeugnis dieser besonderen multikulturellen Stadt anschauen. Hier entstand vor einigen Jahren ein sogenannter Tech Hub. Kurzgesagt sind Tech Hubs Orte, an denen Programmierer, Informatiker und IT-Unternehmer zusammenkommen können, um sich zu vernetzen und beispielsweise Apps zu entwickeln und StartUps zu gründen. Die meisten dieser Tech Hubs finden sich in Nairobi, im Zentrum des Silicon Savannah, wie Kenias aufstrebende IT-Szene oft genannt wird. Einen der ersten und bekanntesten dort, iHub, habe ich schon am Anfang meiner Reise in Nairobi besucht. Aber der Swahilipot Hub hier in Mombasa hat mit dessen schick-modernen Ambiente in einem verglasten Büroturm inklusive Rooftopbar schon auf den ersten Blick nicht viel gemein. Das alte Haus mit Blick aufs Meer, das den Swahilipot Hub beherbergt, gehörte einst der Britischen Kolonialverwaltung. Holz und Stein statt Stahl und Glas. Statt blitzblanker Fliesen liegen hinter der offenen Türe Teppiche aus. Meine Schuhe stelle ich zu den vielen anderen ins Regal am Eingang und gehe hinein. Einen Termin habe ich nicht.
Im Erdgeschoss sitzen junge Menschen an ihren Laptops, einige haben sich draußen auf die Terrasse gesetzt. An der Wand hängen Gemälde und eine Kunst-Installation aus bunten Stoffen. Nachdem ich mich kurz am Empfang vorgestellt habe, gibt mir eine junge Frau eine spontane Führung. Firdaus Awath ist ehrenamtliche Projektmanagerin im Swahilipot Hub. Sie erklärt mir, dass eines der unterseeischen Glasfaserkabel, die vor zehn Jahren Breitbandinternet nach Ostafrika gebracht haben, nur wenige Meter von hier am Kenianischen Festland ankommt. Die Firma, die die Kabel verlegt, sponsert schnelles Internet im Swahilipot Hub. In der Stadt kann sich das nicht jeder leisten. Und so kann hier jeder zum Arbeiten mit seinem Laptop vorbeikommen.
„Swahilipot Hub ist nicht nur ein Ort für Techies, sondern auch für Künstler und Musiker.“ erklärt sie und zeigt mir großformatige Bilder, die ein Künstler für Swahilipot gemalt hat. Eines zeigt einen menschlichen Kopf, der von Computerplatinen überzogen ist. IT und Kunst — wie passt das zusammen? „Mombasa ist nicht wie Nairobi. Hier gibt es viele Künstler und Kreative, die Tech-Szene ist viel kleiner. Hier bringen wir alle zusammen.“ Auf der Terrasse stellt mir Firdaus den Künstler Allan Green vor, der den großformatigen Computermenschen gemalt hat und der gerade einen neuen Entwurf auf ein Blatt Papier zeichnet. „In Kenia ist es anders als in Europa, wo sich ein Künstler vielleicht vielmehr auf seine Kunst konzentrieren kann. Den Vertrieb, Promotion übers Internet, das übernehmen dort andere. Hier muss ich mich als Künstler zum Beispiel um eine eigene Webseite kümmern. Dabei hilft hier der Austausch mit den Techies“, sagt er. Neben solchen Aufträgen bringen die Künstler eine kreative Art zu denken ein, die auch den Programmierern hilft. Unterschiedliche Kulturen zusammenzubringen hat Tradition in Mombasa. Und selten hat das so harmonisch funktioniert wie hier im Swahilipot.