Ein Zeltdorf mit Klimaflüchtlingen im Südpazifik

Es gibt wirklich nur wenige Orte auf der Welt, die von Deutschland so weit weg sind wie der Inselstaat Fidschi. Über einen ganzen Tag reine Flugzeit muss man aufbringen, um hier im Südpazifik anzukommen.


Die Fidschi-Inseln sind für viele Menschen der Inbegriff der traumhaften Südsee: Weiße Strände mit türkisem Wasser wie in der Karibik, grüne Mini-Inseln mit Wasserfällen wie bei Robinson Crusoe und atemberaubende Korallenriffe mit Riffhaien & Manta-Rochen machen Fidschi für wohlhabende Touristen aus westlichen Ländern zu einem äußerst attraktiven Reiseziel.

Doch das Land kämpft schon jetzt an vorderster Front beim Klimawandel. Der steigende Meeresspiegel und Extremwetter-Ereignisse setzen den Bewohnern vor allem an den Küsten und Flüssen stark zu. Auch auf der zweitgrößten Insel der Fidschis namens Vanua Levu.

Hier gibt es das Dorf Nabavatu. 

Nabavatu und das Nachbardorf Dreketi sind für Insel-Besucher eigentlich nur kleine Durchfahrtsorte im Landesinneren, gelegen an einer der wenigen asphaltierten Straßen von Vanua Levu. Wenn sich Touristen in das Dorf verirren, dann meist nur weil der Regionalbus in die Städte Labasa oder Savusavu hier kurz für eine Erfrischung hält. Die Einheimischen haben dann wenige Minuten Zeit, gekühlte Kokosnüsse oder Sandwiches durch die Fenster der klimatisierten Busse zu reichen, um sich ein wenig Geld dazuzuverdienen. Doch inzwischen ist Nabavatu zudem einer der ersten Orte der Pazifikregion, in dem Klimaflüchtlinge in Notunterkünften leben. 

© Lena Holtmanns (UNSW)
© Lena Holtmanns (UNSW)

Verlässt man den Busparkplatz mit den Straßenverkäufern und biegt südlich in Richtung einer Kirche ab, sieht man schon von weitem dutzende weiße Zelte von Organisationen wie Australian Aid oder UNICEF. Hier leben aktuell die Mehrheit der Menschen aus Nabavatu, denn ein heftiger tropischer Sturm zwang die Dorfbewohner ihre Häuser an den Ufern des Dreketi-Flusses aufzugeben. 

Vor knapp drei Jahren wütete nämlich Zyklon „Ana“ auf den Fidschi-Inseln. Sturm und Regen verursachten einen Erdrutsch in der bergigen Region. Risse im Boden taten sich auf. Die Regierung evakuierte die knapp 60 Familien einige hundert Meter weiter auf das Grundstück einer ansässigen Kirchengemeinde. Die Offiziellen versprachen nach einem neuen, sichereren Ort für die Dorfbewohner zu suchen. Seitdem leben die meisten Menschen aus Nabavatu hier notdürftig auf engem Raum zusammen, auf einer Wiese.

Die Zelte der Hilfsorganisationen schützen die Dorfbewohner inzwischen nur noch bedingt. Die Böden aus Sperrholz können den starken Wassermassen in den Regenmonaten meist nicht trotzen, sagt mir ein Anwohner. Wenn man über die instabilen Platten läuft, bricht man im schlimmsten Fall sogar teilweise ein und steht auf dem Rasen der Kirchengemeinde, erklärt eine ältere Frau, die mich durch das Zelt ihrer Familie führt.

Doch auch soziale und hygienische Umstände machen den Familien in den Zelten zu schaffen. „An irgendeine Art von Privatsphäre ist in den Notunterkünften nicht zu denken“, sagt Kelemeni Toga. Er wurde als eine Art Sprecher des Zeltdorfes installiert. „Die Kinder stecken sich zudem untereinander mit Hautkrankheiten an und verlieren teilweise den Anschluss in der Schule, weil sie in den Zelten nicht ordentlich lernen können“, so Toga.

Viele Bewohnerinnen und Bewohner wollen einfach nur noch weg – raus aus den Zelten. Zu einem neuen Platz des Dorfes Nabavatu. Doch das ist nicht so einfach. In Fidschi sind die Besitzverhältnisse von Grundstücken teilweise undurchsichtig und es muss oft erst recherchiert werden, welches Land zu welcher Großfamilie gehört. Monatelang habe die Regierung nach einem neuen Platz für das Dorf gesucht, liest man in lokalen Online-Medien wie FBC News. Dorfsprecher Kelemeni Toga erzählt mir dann, dass die Regierung inzwischen einen neuen Ort gefunden hätte. Dieser liege nur ein paar Hügel weiter. Die Zeltdorfbewohner Nabavatus hätten inzwischen sogar angeboten, ihre neuen Häuser dort selbst aufzubauen. Doch eine Genehmigung fehle noch, genau wie eine Sicherheitsfreigabe der Regierung, so Toga.

© Lena Holtmanns (UNSW)
© Lena Holtmanns (UNSW)

In den nächsten Tagen will er in die Hauptstadt Suva fahren um erneut mit den Entscheidungsträgern zu reden, die die Genehmigung der Umsiedlung an den neuen Ort verantworten. Zeitgleich kommt es in dieser Woche zum ersten Zyklon der Regenzeit. Der Sturm trägt den Namen „Mal“. Im Französisch-Unterricht habe ich gelernt, dass das Wort „Mal“ im Deutschen „Schlecht“ bedeutet. Für die Bewohnerinnen und Bewohner in den Zelten Nabavatus ist das sicherlich kein gutes Omen.