Deutsche Spuren
Ich bin jetzt seit über einer Woche in Puerto Montt und mir reicht es. Der Regen kam und brachte Trübsal. In dieser Stadt kann man depressiv werden. Nun gut, für mich geht es bald weiter nach Patagonien und ich kann diese Stadt hinter mir lassen. Aber leider muss ich nochmal zurück kommen. Denn ich habe hier noch einen Termin an der Uni, die erst wieder im März ihre Tore öffnet. Das ist aber nicht so schlimm, denn ich will später auch noch nach Chiloe, eine Insel vor Puerto Montt, die von der Lachsindustrie stark gebeutelt wurde. Auch da habe ich im März noch Termine. So hoffe ich, Puerto Montt nur kurz ansteuern zu müssen und mich nicht mehr länger in diesem Industriemoloch aufhalten zu müssen. Aber es gibt auch interessantes zu erzählen aus diesem Zentrum der
Lachsindustrie. Überall findet man Spuren deutscher Einwanderer. Es gibt den Club Aleman, hier treffen sich all abendlich die Nachfahren der Menschen, die diese Stadt einst gegründet haben. Bei deutschem Essen und deutschem Bier wird hier Deutsch gesprochen. Da verstehe ich auch mehr. Denn das Spanisch hier ist wirklich schwer zu verstehen. Ich habe zwar schon wiederholt gehört, wie gut man mein Spanisch verstehen würde, doch diese Komplimente kann ich leider nicht zurück geben. Die Chilenen reden schnell, verkürzten Wörter und es gibt reichlich andere Vokabeln, als ich sie aus Spanien kenne. Die Chilenen hier sagen selber, in Spanien verstehen sie kein Wort. Das mag zwar übertrieben sein, aber kommt der Sache schon recht nahe.
Aber zurück zu den Deutschen Wurzeln: Die meisten Einwanderer kamen Mitte des 19. Jahrhunderts aus Deutschland. Die meisten wurden regelrecht angeworben, später wurden ihnen hier sogar Denkmäler gewidmet. Denn die Deutschen gründeten gerade im Süden viele Städte, machten das Land urbar und wurden ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft.
Heute gibt es Bier mit deutschem Namen, überall kann man „Kuchen“ essen und man sieht den Einfluss in der Architektur. Später kamen von den Nazis verfolgte Juden und Kommunisten nach Chile und dann auch die Nazis selbst. Und was mir aufgefallen ist, man spricht nicht darüber, wer warum nach Chile kam. Man lässt die Vergangenheit ruhen, so geht man sich zumindest nicht gegenseitig an die Gurgel.
Ihr fragt Euch vielleicht, was das alles mit meinem Thema zu tun hat, der Lachszucht. Auf den ersten Blick rein gar nichts. Doch wenn man näher hinschaut doch eine ganze Menge. Die ersten salmoniden Fischarten, also Verwandte der Lachse, wurden von Deutschen nach Chile gebracht. Forellen. Sie wurden in den Flüssen im Süden angesiedelt und verdrängten schließlich viele andere Arten. So kann das gehen.
Natürlich gibt es auch eine Reihe deutschstämmiger Akteure in der Lachsindustrie, aber vor allem treffe ich ihre Gegner in den Reihen der Deutschen. Es soll in Chile vier Menschen geben, die die Fjordlandschaften am besten kennen und damit auch den Einfluss der Lachsindustrie auf deren Ökosysteme. Alle vier sind deutsche Wissenschaftler, mir dreien habe ich schon gesprochen, der Vierte sitzt in der Antarktis fest und muss eventuell dort überwintern. Er hat mich zwar eingeladen, mit ihm den Winter dort zu verbringen, aber ich muss wohl ablehnen.
Die anderen drei aber zeichneten mir ein erschreckendes Bild. Es interessiert die Menschen in Chile kaum, was mir ihren großartigen Fjordlandschaften passiert. Keiner kann die Auswirkungen der Lachsindustrie auf die Ökosysteme vorhersagen, Eigentlich ein Grund, sie zu schützen. Doch das wir von der Industrie als Argument genutzt, die Natur weiter auszubeuten. Denn wenn die Konsequenzen nicht beschreiben kann, gibt es auch keinen Grund, aufzuhören. Der Profit und das Wachstum stehen in Chile an erster Stelle. Das ist wohl auch normal in einem Land, dass sich wirtschaftlich entwickeln will. Und die Lachsindustrie bringt viel Geld.
Noch dazu beherrschen wenige Familien die Wirtschaft des Landes, sie haben in allem ihre Finger drin. So steht auch die Presse unter dem Einfluss von Lachszüchtern. Und was die Umwelt angeht, die Menschen sind zu erst daran interessiert, ihren Lebensstandart zu erhöhen. Darin unterscheidet sich Chile nicht von Europa. Es gibt hier großartige Landschaften, die wirklich schützenswert sind. Aber gerade der Meeresschutz steckt noch in den Kinderschuhen.
Ich habe mir den Reloncavi-Fjord in der Nähe von Puerto Montt angeschaut. Ein wunderschöner Ort, das Wasser glitzert, die Vögel zwitschern, im Hintergrund großartige Vulkanlandschaften. Doch mittendrin reiht sich eine Lachsfarm an die andere. Viele von ihnen sind verlassen, denn ein Virus wütete in der Region vor etwas mehr als zwei Jahren hier. In den betroffenen Farmen konnte nicht weiter produziert werden und da sie so dicht an dicht stehen, sprang der Virus schnell über. Die Unternehmen hinterließen ihren ganzen Müll, der nun in den Fjorden herumtreibt, das Wasser kontaminiert und vergammelt. Es scheint aber niemand zu interessieren.
So jetzt aber genug davon, meine Reise geht weiter in Richtung Patagonien. Vorher mache ich noch einen Abstecher nach Puerto Varas, ganz in der Nähe von Puerto Montt. Die Stadt liegt am Llanquihue-See und auch dort gibt es Lachsindustrie. Denn in den Seen in dieser Region wird der Nachwuchs herangezogen