Kharel oder der Pastor im Pool

Ich sitze in der Hotellobby und warte. Ich bin immer noch in Bogor aber wechsele die Unterkunft. Bis gestern fünf Nächte ein Gästehaus, jetzt Hotel. Mein Reiseführer hatte recht, der koloniale Stil: die sattgrünen, samtenen Vorhänge und dunklen Möbel, das hat was. Nur ein paar Minuten noch, dann soll mein Zimmer fertig sein. Und während ich den prächtigen Kronleuchter in der Lobby bestaune, spricht mich ein Indonesier auf dem Sofa gegenüber an. Wo ich herkomme. „Jerman“ sage ich. Kharel Silitonga, Anfang 70, gestreiftes Hemd, gepflegte Schuhe spricht ziemlich gut englisch. Er ist protestantischer Pastor. Trifft sich hier mit einem Freund zum Kaffee. Und während wir beide warten, unterhalten wir uns und haben sofort einen guten Draht. Ich frage ihn aus, über Religionen in Indonesien.

Kharel

90 Prozent Muslime. Indonesien ist das bevölkerungsreichste islamisch geprägte Land der Welt. Und wenige Christen, Hindus, und Buddhisten. Und alle leben friedlich zusammen? Im Großen und Ganzen schon, sagt Kharel. Aber es gibt leider auch Ausnahmen. Die Christen sind in der Minderheit und in manchen Ecken des Landes haben sie es richtig schwer. Kharels Sohn ist im benachbarten Pamulang auch Pastor und Kharel macht sich oft Sorgen um ihn. Er erzählt, dass es immer wieder Attacken von muslimischen Fanatikern gibt. Regelmäßig an Weihnachten. In Bekasi bei Jakarta haben Extremisten während der Weihnachtsmesse 2013 Christen mit faulen Eiern und Tüten voll mit Urin beworfen. Und die Polizei habe auch noch mitgeholfen. Krass denke ich. Die Extremisten haben die Christen einfach nicht in ihre Kirche gelassen, sagt Kharel, die haben dann den Gottesdienst draußen gemacht.

Dass es so was gibt. Auch Kharel schüttelt mit dem Kopf. Viele seiner Freunde sind Moslems. Er geht mit ihnen in die Moschee, sie besuchen mit ihm die Kirche. Den meisten Indonesiern ginge das so. Man akzeptiert die Religion des anderen. Normal eben. Nur einige wenige muslimische Extremisten wollten aus dem säkularen Indonesien einen islamischen Staat machen. In dem Inselreich hat sich über Jahrtausende eine beeindruckende, breite religiöse Vielfalt entwickelt. Der Islam und das Christentum kamen erst im 14. und 15. Jahrhundert.Dabei haben sie die alten Naturreligionen sowie Hinduismus und Buddhismus überlagert, ohne sie aber vollständig zu verdrängen.

Von den insgesamt 250 Millionen Indonesiern sind heute 14 Millionen Hindus und 2 Millionen Buddhisten. Die Hindus leben vor allem auf Bali. Die Buddhisten verteilen sich über die Städte Jakarta, Semarang, Medan und Surabaya, sowie über das ganze Land. Im Nationalmuseum in Jakarta habe ich schon einen ersten Eindruck über die Größe und Pracht der javanischen Hindureiche zur Blütezeit im 9. und 10. Jahrhundert gewonnen, erzähle ich Kharel. Später möchte ich mir auch noch die Tempelanlage Borobudur in Zentraljava ansehen. Immerhin ist es das größte Buddhistische Monument der Welt.

70.000 Ausstellungssstücke - damit gehört das Museum National in Jakarta zu den Größten Südostasiens.

70.000 Ausstellungssstücke – damit gehört das Museum Nasional in Jakarta zu den Größten Südostasiens.

Natürlich haben wir, Kharel und ich, uns auch gegenseitig Fotos gezeigt. Bei einem Kaffee im Hotelrestaurant. Er sucht in seinem Handy Bilder von seiner Familie, ich von meiner. Meine Schwestern, meine drei Jahre alte Nichte Sophia. Er hat zwei Söhne und drei Enkelkinder. Seine Frau Tan Soey Nio ist vor einem Jahr an Krebs gestorben. Nebenbei kommt noch raus, dass er Professor ist und an der christlichen Universität in Bogor unterrichtet hat. Daher also das perfekte Englisch. Ich verstehe. Und dann zeigt er mir dieses lustige Foto. Kharel ist der Mann rechts im Pool.

DSC02102

Jedes Jahr Ostern wandert er mit hundert Gläubigen auf den Berg Cisarua. Und wenn sie dann die Messe halten sind immer welche dabei, die sich spontan taufen lassen wollen. Das machen sie dann eben. Ohne Kirche – im Pool. Überhaupt anders als bei uns seien die Kirchen in Indonesien immer voll. Hier in Bogor ist sonntags für die Pastoren Gottesdienst-Marathon angesagt. Sechs Messen hintereinander. Um 5 Uhr morgens die erste um 10 Uhr die letzte. Und immer kommen gut 100 bis 200 Gläubige. Davon können die Kirchen in Deutschland nur träumen, denke ich, und stelle mir einen katholischen Priester im Swimmingpool vor.

Kharel und ich

Die Stunde Kaffeetrinken mit Kharel ging schnell rum. Wir tauschen Facebook und Whatsapp-Kontakte aus. Kharel muss morgen in seiner Gemeinde zwei Messen halten, zwei Stunden von hier entfernt. Dann kommt er aber wieder, er wohnt bei Bogor. Jetzt will er wissen, was ich noch vor habe. Sonntag frei. Montag besuche ich einen Workshop zum Thema Wald und Umweltschutz, den WWF-Vertreter und Mitglieder der indonesischen Nichtregierungs-Organisation Forest Watsch Indonesia organsiert haben. Ob ich dann Zeit habe. Karel will mir sein Bogor zeigen. Einfach so lacht er. Das macht man doch, für einen Freund. Wie schön denke ich – mein erster Freund in Indonesien.