Als ich in Ruandas Hauptstadt Kigali aus dem Flugzeug steige, kann ich mein Recherche-Thema förmlich riechen. Die Luft ist erfüllt vom Geruch nach verbranntem Holz. Kein Wunder: Laut der ruandischen Umweltbehörde REMA benutzten im Jahr 2015 über 80 Prozent der ruandischen Haushalte Feuerholz zum Kochen – und weitere 15 Prozent Holzkohle. Die Menschen fällen die Bäume schneller, als sie wachsen können.
Es ist eines der größten Probleme schnell wachsender Entwicklungsländer: Wie versorgt man Volk und Wirtschaft mit ausreichend Energie, ohne dabei die Umwelt zu zerstören? Wie fatal Industrialisierung für Natur und Klima sein kann, machen die Industriestaaten schließlich bis heute vor. Nach allem, was ich gelesen habe, ist man sich dieses Dilemmas in Ruanda mehr als bewusst. In diesem winzigen, ostafrikanischen Staat gibt es unzählige Projekte, um CO2 zu reduzieren, erneuerbare Energien zu fördern, die Umwelt zu schützen. Fast jeder zweite Mensch, den ich hier kennenlerne, arbeitet in diesem Bereich – für eine NGO, eine Auslandsvertretung, ein Unternehmen oder für die Regierung.
Das erste Projekt, das ich mir ansehe, haben Studenten der Organisation Enactus Aachen initialisiert. Aus Ernteabfällen stellen sie Holzkohle her. „RecyCoal“ nennen sie ihre Idee. Ihre Kohle soll nicht nur den Baumbestand schonen, sondern auch viel gesünder sein, als das direkte Verbrennen von Holz.
Die beiden Studenten Laura und Immo holen mich um 9 Uhr morgens mit dem Auto ab. Es ist ihr letzter Tag in Ruanda und sie wollen mir zeigen, was sie in den vergangenen Wochen hier aufgebaut haben. Und nicht nur mir. Ihre Idee ist so vielversprechend, dass auch ein Vertreter der EU-Delegation mitkommt, der sich als Therance vorstellt. Wenn ihm das Projekt gefällt, will er es der ruandischen Regierung empfehlen. Schließlich will die bald jede Form von Holzkohle verbieten, die nicht nachhaltig hergestellt wurde. Dann brauchen die Menschen einen bezahlbaren Ersatz.
Selbstbewusst hupend und überholend steuert uns Immo durch den dichten, oft chaotischen Straßenverkehr in Kigali. Nach einer Weile wird der Verkehr lichter, dafür geht es nun einen steilen Hügel hinauf, auf einer roten, sandigen Piste mit tiefen Spurrillen. Wannimmer Kinder am Straßenrand auf uns aufmerksam werden, strecken sie die Hände aus und rufen aufgeregt „Muzungu!“ – „Weißer!“.
Schließlich halten wir vor einer Lehmmauer. Was sich dahinter befindet, überrascht mich: Eine Pilzfarm. „Pilze sind gerade im Kommen in Ruanda“, erklärt Laura. Hotels und Händler kaufen sie, selbst in ruandischen Flüchtlingslagern werden sie wohl gezüchtet. Als ich Leonidas, den Geschäftsführer der Pilzfarm, frage, wie er darauf gekommen ist, sagt er: „The Chinese taught me“. Mehrere Jahre arbeitete er mit chinesischen Expats zusammen, flog sogar auf deren Kosten für zwei Monate nach China, um das Pilze züchten zu erlernen. Als er zurückkehrte, gründete er seine eigene Farm. Vier Million ruandische Francs verdient er damit nach eigenen Angaben im Monat – 4.000 Euro, für ruandische Verhältnisse sehr viel Geld.
Aber was hat die Pilzfarm mit Umweltschutz zu tun? Nun übernehmen Immo und Laura. Immo zeigt uns eine röhrenförmige Tüte, in der sich eine Mischung aus Gras oder Baumwolle und Pilzssporen befindet. Diese Röhren pflanzt Leonidas ein, um daraus Pilze zu züchten, oder verkauft sie direkt an Pilzzüchter weiter. Wenn die Pilze aus dem Boden gekommen sind, bleibt die harte Röhre übrig. Diese unbrauchbare Röhre lässt sich zu Kohle verarbeiten. Man füllt sie in eine Metalltonne, in deren Mitte eine Röhre steckt. Dann wirft man ein paar brennende Ästchen oder einen Benzingetränkten Lappen hinein, verschließt die Tonne, und wartet einige Stunden. Die Hitze setzt einen chemischen Prozess namens „Pyrolyse“ in Gang, der die Ernteabfälle in Kohle verwandelt. Das funktioniere auch mit Bananenblättern oder Stroh, sagt Laura. Aus vier Kilo Rohmaterial wird ein Kilo Kohle.
Das Produkt ist begehrt: „Als wir unsere Kohlestücke über Nacht draußen lagerten, wurden sie geklaut“, erzählt Laura. EU-Vertreter Therance denkt bereits über eine Expansion des Projektes nach. Er hält den Transport der krümeligen Kohlestücke für problematisch, und vor allem die Bereitstellung der Rohmaterialien. „Man kann nicht einfach in großem Stil Bananenblätter vom Boden aufsammeln. Schließlich machen sie ja auch die Erde fruchtbar.“
Kann RecyCoal die große Alternative sein, wenn herkömmliche Holzkohle in Ruanda verboten wird? Alleine aus Pilzfarmen werden sich nicht genug Rohstoffe für die Kohle gewinnen lassen. Therance sieht die verbleibenden Probleme, aber auch die Chance. Abschließend erklärt er: „Ich werde mit Freude berichten, dass es möglich ist, grüne Kohle zu produzieren.“