Im berühmt berüchtigten Pattaya

Pattaya ist berühmt und berüchtigt für Nachtleben, Sextourismus und „Foreign Marriages“. Das bis in die 1960er Jahre ruhige und beschauliche Fischerdorf wird heute gesäumt von großen Hotelanlagen, Einkaufszentren, Bars und Clubs. Und obwohl Prostitution in Thailand offiziell verboten ist, ist sie hier allgegenwärtig. Immer wieder werden dabei auch Vorfälle von Kinderprostitution bekannt. Es ist die schlimmste Form von Kinderausbeutung und eine der größten Gefahren für Straßenkinder.


Schon im Bus nach Pattaya erwartet mich ein ungewohntes Bild: Außer mir sind nur ältere weiße Herren an Bord, entweder alleine oder mit deutlich jüngerer, thailändischer Partnerin. In der Stadt selbst ist es schier unmöglich sich zu bewegen, ohne mit den genannten Themen in Berührung zu kommen. Frauen warten an den Straßen, der Strandpromenade, sitzen an eigens für die zur Schau Stellung errichteten Tresen vor Bars und Massagestudios. Während ich beim Vorbeigehen gänzlich unbeachtet bleibe, recken sie die Arme nach dem Touristen vor mir aus. Der etwa 60-Jährige zieht seinen Koffer hinter sich her und scheint auf der Suche nach seiner Unterkunft zu sein. Die Frauen machen durch Rufe und Kussgeräusche auf sich aufmerksam. Wie alt sie sind, ist schwer zu sagen. Auf meine Nachfrage antworten erstaunlich viele: volljährig. Kinder fallen mir aber erstmal keine auf.

Abends kontrolliert die Polizei an der Strandpromenade. Dort sitzen und stehen thailändische Frauen – stark geschminkt, in kurzen Kleidern und hohen Schuhen. Sie scheinen zu warten. Ein paar von ihnen schicken die Polizisten weg. Den Jugendlichen fehlte das entsprechende Geburtsjahr auf der ID. „Das ist alles, war die Regierung macht“, erklärt Khun Nung,der Direktor des „Child Protection und Development Center“ (CPDC). Kinder- und Zwangsprostitution seien aber noch immer ein großes Problem. Und sie seien noch lange nicht gelöst, nur weil sie weniger sichtbar sind als noch vor ein paar Jahren. Ganz im Gegenteil, hätten sie sich nur weg von der Straße und in den Online-Raum verlagert, sagt Khun Nung. „Alles alles mehr Schein als Sein“. Denn was die Polizei nicht sehe, das störe sie auch nicht. Der Sextourismus bringt zu viel Geld ins Land. Aber er bringt auch eine zunehmende HIV- und Aids-Rate mit sich, gegenläufig zur weltweiten Entwicklung. Und er bringt ungewollte Schwangerschaften und die Gefahr, dass Kinder von Prostituieren selbst in jungen Jahren in der Prostitution landen, mit Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch in Kontakt kommen.


Denn Prostitution ist immer auch eng verknüpft mit Kinderprostitution und Menschenhandel. Statistiken zählen 70.000 bis 700.000 minderjährige Prostituierte im Land. Viele beschreiben Pattaya daher als „Sin City“. Betroffen sind vor allem junge Mädchen aus ärmlichen Verhältnissen und ländlichen Gebieten ohne Perspektive. Aber auch Mädchen, die aus den Nachbarländern Myanmar, Laos, Vietnam und Kambodscha nach Thailand kommen. Die großen Städte hier versprechen ein besseres Leben. Häufig sind es daher die Eltern selbst, die ihre Kinder über die Grenze schicken. Sie glauben, dass sich ihre Leben verbessern werden – für die Kinder selbst und die ganze Familie. Sie können nicht einschätzen, was ihren Töchtern droht, werden von Agenten und Agenturen gelockt und hinters Licht geführt. Und dann gibt es kein zurück mehr.


Prai hatte Glück. Das Mädchen wuchs zunächst mit ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester auf. Doch die Mutter war drogenabhängig. Im Tausch gegen Stoff bot sie Prais ältere Schwester Männern an – da war diese gerade 13 Jahre alt. Mit 15 arbeitete sie fest als Prostituierte in einer Bar. Prai lebte bei ihrer Mutter. Doch als diese verhaftet wurde, musste sie zur Schwester und ihrem Freund ziehen. Der schlug und misshandelte sie. Durch eine Alterskontrolle wie die an der Promenade, wurde die Polizei auf die Schwestern aufmerksam. Prai kam ins „Child Protection und Development Center“ am Rande der Stadt, welches ehemaligen Straßenkindern, Opfern von Menschenhandel, Missbrauch, Zwangsprostitution und Gewalt, Armut und Ausbeutung ein dauerhaftes Zuhause gibt. Aber die Rehabilitation ist ein langer und beschwerlicher Weg. Prai ist heute noch oft wütend und kann ihre Aggressionen manchmal schwer kontrollieren, berichtet man mir. Aber sie weiß, sie ist hier sicher. Auch ihre Schwester ist weg von der Prostitution und hat mit Hilfe des Centers einen anderen Job gefunden. Die Bar in der sie als jugendliche prostituiert wurde, die gibt es aber immer noch.

Die 3-L’s „Learn, Laugh, Love“, sind das Motto des CPDC und zieren den Eingang zum Speisesaal